# An oder Aus? Mediennutzung in Krisenzeiten - 16. Mediensucht Fachtag ![](https://i.imgur.com/2TWAvr7.jpg) ## Dokumentation: ### PROGRAMM: 09:00-09:15 Einführung in das Thema des Tages **MITSCHRIFT:** * Begrüßung von Hannah Goebel und Markus Gerstmann zum 16. Fachtag Mediensucht * Der Fachtag ist organisiert vom LIS und ServiceBureau Jugendinformation/Lidice-Haus * Vorstellung des Tagesablaufs Einführung in das Thema: * Markus erläutert, was eine Krise überhaupt ist. Es ist etwas Überraschendes, eine Wende oder ein Höhepunkt. Etwas, was die Zeit zum Reagieren verkürzt. Im Gehirn stehen sich statisches und dynamisches Denken gegenüber und für die Krisenbewältigung sei es laut Maren Urner erforderlich, dynamisch zu denken. Dazu gehört das Erarbeiten von Lösungen gemeinsam mit anderen Gehirnen. Wichtig dafür ist auch das Hinterfragen von sich selbst, wozu sicherlich Mut gehört. * Medien können während Krisen verschiedene Funktionen haben. Was bedeuten gesellschaftliche Veränderungen für Kinder und Jugendliche und welche Rolle spielen dabei Medien? * Frage an alle (interaktiv): Macht ihr Medien in Krisenzeiten eher an oder aus? Ergebnis: sehr gemischt * Zweite Frage / Aufgabe (interaktiv): die eigene Mediennutzung während Krisen anhand von verschiedenen Gifs einordnen 09:15-10:15 Vortrag + Diskussion **"Alles Krise? Wie Jugend in die Zukunft blickt"** Der Alltag junger Menschen aus dem Krieg in der Ukraine kommt per TikTok in deutsche Kinderzimmer, Klima-Aktivist*innen mobilisieren sich über Instagram und Messenger – und seit Beginn der Corona-Pandemie haben Jugendliche sich notgedrungen verstärkt auch in virtuelle Welten zurückgezogen. Die drei großen Krisen unserer Zeit betreffen ganz besonders die junge Generation und verändern die Bedingungen ihres Aufwachsens und ihrer Perspektive für eine gute Zukunft. Welche Rolle spielen Mediennutzung und technologische Entwicklung für die Bewältigung dieser Krisen? Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich für Fachkräfte und Eltern, aber auch für die Jugendlichen selbst? Dr. Anna Grebe ist Beraterin für die Themen Medien, Politik und Partizipation **MITSCHRIFT:** Einleitung * Vortrag via Zoom * Dr. Anna Grebes Themen sind unter anderem Medienphilosophie und Medienschutz * Der Vortrag soll mehr als Impuls und Provokation dienen und weniger in die Tiefe gehen Hauptteil * Jugendpolitik: Was sind die Kernherausforderungen in der Jugend? Die Jugendlichen sollen selbstständig werden und sich qualifizieren, um etwas zu erreichen. Außerdem wird erwartet, dass Jugendliche eine Zugehörigkeit zu etwas zeigen. Dabei muss man die äußeren Umstände im Blick behalten, unter denen die Jugendlichen leben. Dazu kommen die persönlichen Krisen der Jugendlichen. * Die großen drei Krisen, die zur Krisenhaftigkeit der Jugend dazu kommen: Klima, Corona und Krieg. Es kommt aber auch immer auf die sozioökonomische Herkunft und die Zeitlichkeit an, in welchem Ausmaß diese Krisen die Jugendlichen treffen. * Die Klimakrise entwickelt sich auch zur Generationsdebatte und zu einer Frage der Bildung und sozioökonomischen Herkunft. Klimaaktivist*innen kommen überwiegend aus akademischen Elternhäusern. Fridays-for-Future zeigt, dass Jugendliche wirklich mitreden möchten. Dieses Thema spiegelt sich auch in den sozialen Netzwerken wider * Bezüglich der Corona-Maßnahmen gab es von Seiten der Jugendlichen wenige Regelbrüche. Die Pandemie hat einen immensen Einfluss auf die Psyche von Jugendlichen. Durch die dadurch entstandenen Schäden ergibt sich eine sehr große Herausforderung. Auch die deutsche Demokratie wurde durch verschiedene Proteste infrage gestellt. * Der Krieg in der Ukraine schockiert durch die geografische Nähe und schürt verschiedene Ängste bei den Jugendlichen. * Rockström und Renn sprechen durch die Kombination dieser Krisen von einer Polykrise. Diese hat Auswirkungen auf die Psyche der Jugendlichen. Junge Menschen machen sich mehr Sorgen um die Gesellschaft insgesamt und weniger um sich selbst. * Wenn diese großen Krisen von der Politik bewältigt werden würden, wären auch die persönlichen Kernherausforderungen für die Jugendlichen einfacher zu bewältigen. * Auch Fachkräfte spüren die Folgen dieser Krisen. Beispielsweise durch die notwendige Neuausrichtung pädagogischer Arbeit. * Die Medienbildung an sich hat sich durch die Krisenzeit nicht verändert. * Junge Menschen sind unzufrieden mit der eigenen Repräsentation und den Möglichkeiten zu Partizipation. Medienbildung kann an diesem Punkt durch verschiedene digitale Tools helfen. Beispiele sind Apps zur Mitbestimmung oder Gamification. * Digitale Informationskompetenz ist ein wichtiges Thema, weil auch unzählige Fake-News kursieren. Jugendliche müssen dafür sensibilisiert werden. * Identitätsarbeit mit Instagram und Tik Tok: Jugendliche machen sich gegenseitig nach, um herauszufinden, wie die Umwelt darauf reagiert. So wird die Herausforderung der Selbstpositionierung bewältigt. ![](https://i.imgur.com/I7wAd95.jpg) Fazit * Medienbildung muss als ein Aspekt für Krisenbewältigung begriffen werden - und pädagogische Fachkräfte als Lots*innen durch Krisenzeiten * ![](https://i.imgur.com/94Us1YI.jpg) Fragen und Antworten * 25% der Jugendlichen denken, dass sie in den Krieg einbezogen werden. Wie kann man darauf eingehen/reagieren? Frage der politischen Bildung. Sie wissen nicht, dass es gar nicht möglich ist in den Krieg eingezogen zu werden. Es wird den Jugendlichen durch die Diskussion über den Plichtdienst vermittelt, dass die Politik mit ihnen machen kann, was sie will. Durch z.B. Tik Tok wird schnell eine enorme Nähe zum Krieg aufgebaut. Eventuell könnten auch Filme und Serien über Katastrophen diese als wahrscheinlicher erscheinen lassen. * Einwurf einer Pädagogin: Vielleicht sollte die Aufgabe mehr die emotionale Begleitung als die inhaltliche Aufklärung sein. Es sei gut, wenn Jugendliche ihre Ängste formulieren. * Medienpräsenz bei Lehrkräften? Sorge, dass die meisten Lehrkräfte von vielen Dingen in dem Bereich keine Ahnung haben. Wie ist Ihre Meinung? Wie schafft man es, dass die Kluft zwischen Lehrkräften und Schüler*innen nicht noch größer wird? Aus medienbildnerischer Sicht braucht es Pflichtfortbildungen, das ist jedoch nicht möglich. 10:30-11:30 Vortrag + Diskussion **Mediennutzung in Belastungssituationen - Eine Bewältigungsstrategie mit Risiken und Nebenwirkungen** „Der Vortrag bietet Einblicke in die Beratung und Behandlung pathologischen Medienkonsums. Risiken und Schritte zur Suchtentwicklung werden betrachtet.“ M. Ed. Tobias Winkler ist Suchtberater bei der Fachstelle Medienabhängigkeit Bremen und Streetworker der Ambulanten Suchthilfe Bremen gGmbH Michèle Sanner ist Koordinatorin und Suchttherapeutin bei der Fachstelle Medienabhängigkeit Bremen und freiberufliche Mediatorin **MITSCHRIFT:** Eingangsfrage: Was verstehen Sie unter dem Begriff Bewältigungsstrategie? * Definitionen: Art des Umgangs mit einer (häufig negativ konnotierten) Herausforderung, entweder problemorientiert (Versuch, die Situation durch eigenes Verhalten zu verändern, z.B. Diskussion) oder emotionsortientiert (Änderung des eigenen Verhaltens um eine Situation angenehmer zu gestalten, z.B. Aktivitäten zum Stressabbau). * Medienkonsum kann beide Arten der Bewältigung darstellen. Einführung in die Suchtentwicklung: * Genuss - Riskanter Konsum - Missbrauch - Sucht/Abhängigkeit (Gesamtes Spektrum wird von einer Gewöhnung begleitet) * Umso weiter die Entwicklung einer Sucht vorangeschritten ist, desto weniger alternative Verhaltensweisen stehen den Betroffenen zur Verfügung. * Menschen sind unterschiedlich stark gefährdet, eine Suchterkrankung zu entwickeln. Es spielen stets Risikofaktoren aus persönlichen Eigenschaften (Alter, Selbstwert), dem sozialen Umfeld bzw. der Gesellschaft und das Suchtmittel betreffende Faktoren (Anreize zur Nutzung) eine Rolle. * Während der Pandemie stellten Medien den einzigen Weg nach draußen dar. Unter Umständen ist es schwierig, sich nun wieder andere Wege zu erschließen. ![](https://i.imgur.com/Ri5uejB.jpg) Frage an TeilnehmerInnen: Woran erkennen Sie abhängigen Medienkonsum? * Soziale Isolation * Abhängige gehen nicht mehr zur Schule * Angst davor etwas zu verpassen, befeuert von Kurzlebigkeit von Trends innerhalb sozialer Netzwerke * Gereiztheit, wenn Medium (Handy etc.) nicht verfügbar ist * Körperliche Verfassung (Ab- oder Zunahme, Gelenkschmerzen...) * Kurze Aufmerksamkeitsspanne * Übernahme von Bewältigungsstrategien die online funktionieren, in das reale Leben, in dem sie nicht funktionieren * Bedrücktheit * Handynutzung im Unterricht * Die Symptome lassen sich in körperliche, psychische und soziale Symptome einteilen Allgemeine Sucht und Medienabhängigkeit * Es gibt im ICD-11 keinen Code für allgemeine Medienabhängigkeit, sondern nur einen Eintrag zur Gaming Disorder, die Kriterien sind allerdings gut übertragbar * Ansonsten gelten bei allen Verhaltenssüchten die allgemeinen Suchtkriterien. * Dort nicht enthalten, aber in Bezug auf Mediensucht wichtiger Anhaltspunkt: Anhaltender Nutzen zur Bewältigung von schwierigen Situationen Vorgang bei Konsultation der Beratungsstelle * Setting (einfacher, möglichst barriereloser Zugang) * Klärung des Auftrages (Problembewusstsein und Veränderungswunsch des Betroffenen persönlich, bei Jugendlichen z.B. nicht Veränderungswünsche der Eltern etc.) * Ergründung und Betrachtung der Ausgangssituation (ganzheitliches Bild von der Lebenssituation) * Motivationsarbeit (Vermittlung von Verständnis, Stärkung des eigenen Selbstwertes etc.) * Einzelschritte (Angst, etwas zu verändern wird begegnet, indem die Sorge vor dem Scheitern genommen wird und der zu gehende Weg in kleinere Teilschritte unterteilt wird) * Durch Besprechen der Probleme innerhalb einer Gruppe lernen betroffene Jugendliche, dass sie mit diesen nicht alleine sind und erlernen durch Austausch ihrer jeweiligen Skills und Bewältigungsstrategien neue Wege zum Umgang mit Krisensituationen kennen. ![](https://i.imgur.com/fmSnvSC.jpg) 11:45-12:45 **Podiumsdiskussion** Welche Bedeutung haben Medien im Kontext von Krisen? Welche Hilfesysteme und Ansätze gibt es in Bremen? * Michèle Sanner, Fachstelle Medienabhängigkeit der Ambulanten Suchthilfe Bremen * Yvonne Schiemann, Referat Medien und Bildung in der digitalen Welt, Senatorin für Kinder und Bildung * Ini Friedrichs, Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familie (AfSD) sowie BKE-Onlineberatung für Jugendliche * Sven Benkendorf, ServiceBureau Jugendinformation, Projekt Digi4OJA Moderation: Hannah Goebel, Referat Gesundheit und Suchtprävention, Landesinstitut für Schule ![](https://i.imgur.com/ZlgP38N.jpg) **MITSCHRIFT:** **Podium** Leitfrage: Wie können Fachkräfte mit den bereits angesprochenen Themen umgehen? An oder aus mit den Medien in Krisensituationen? - Die Fachkräfte sind sich einig: eher an * Es muss in Maßen konsumiert werden und wenn der Konsum bereits im Suchtbereich lag oder liegt, braucht es v.a. in der betreffenden Nutzungsform eine Abstinenz, um von der Sucht wegzukommen. (Michèle Sanner) * Medien und Spiele bringen Spaß und dienen der Vernetzung mit der Peer Group. Würde man den Jugendlichen in einer Krisensituation die Medien wegnehmen, würde man ihr Krisenempfinden verschlimmern. (Sven Benkendorf) * Ein "an" mit Einschränkungen, weil man den Medien gar nicht mehr entkommen kann. Alles wird von den Medien durchdrungen und es muss ein verantwortungsvoller und bewusster Umgang erfolgen. Dazu brauchen Jugendliche Begleitung durch Erwachsene. (Yvonne Schiemann) * Jugendliche suchen sich Hilfsangebote zur Bewältigung ihrer individuellen Krisen in den Medien. Die online-Beratung ist da sehr wichtig. Dennoch ist ein achtsames Nutzen von Medien wichtig. (Ini Friedrichs) Bedeutung der Mediennutzung in Krisenzeiten * Beziehungen aus online Multiplayer-Games können es zwar in die reale Welt schaffen, ersetzen reale Beziehungen in vielen Fällen aber auch. Es ensteht hier mitunter auch ein Austausch über Probleme im realen Leben. Je nach Plattform findet die Kommunikation mehr oder weniger anonym statt. Gemeinsames Spielen birgt jedoch auch Konfliktpotential, welches gegebenenfalls ins reale Leben getragen werden kann, z.B. in Klassengemeinschaften. (Sven Benkendorf) * Klassenchats können zu Problemen führen, wenn die Kinder oder Jugendlichen keinen richtigen Umgang damit erlernt haben. Es ist notwendig, Klassenchats einzuführen, sonst kann die Nachrichtenflut gerade bei jüngeren Kindern überfordernd wirken. Ein Vorschlag ist die Entwicklung gemeinsamer Kommunikationsregeln. (Yvonne Schiemann) * Soziale Medien und Videokonferenzen konnten während der Pandemie das Miteinander erhalten. Auch die Vernetzung in Bezug auf die Klimakrise spielt für SchülerInnen eine wichtige Rolle für den Aufruf zu Aktionen etc. Gegenseitig wurde sich über einen Schülerzeitungsblock auch über die Verbreitung und das Erkennen von Verschwörungstheorien und Falschmeldungen informiert. (Yvonne Schiemann) * Es gibt eine Diskrepanz zwischen SchülerInnen und Lehrenden in Bezug auf das Wissen über soziale Medien. Lehrende haben oft keine Ahnung, was bei den SchülerInnen gerade Thema ist. * Es gab einen großen Ansturm auf die Online-Angebote der Beratungsstellen während des Lockdowns. Jugendliche hatten und haben einen großen Bedarf innerhalb an Austausch über die Klimakrise, die Pandemie und den Krieg in der Ukraine zu sprechen und suchen die Beratung zum Teil dafür und nicht für ihre individuellen Krisen auf. (Ini Friedrichs) * Familien suchen Beratung auf, da sie den Weg nach den Schulschließungen und Lockdowns mit gesteigertem Medienkonsum zurück in den Alltag nicht finden. Zudem war es während dieser Zeit schwierig Hilfsangebote zu finden und alternative Angebote zum Medienkonsum wahrzunehmen. (Michèle Sanner) * Online-Pornografie ist ein großes Thema, worüber jedoch wenig gesprochen wird. An die Beratungsstellen wenden sich meist die Eltern der Jugendlichen, die jedoch oft gar nicht genau wissen, was ihre Kinder mit den Medien tun. (Michèle Sanner) * Medien können auch hilfreich sein, wenn man Dinge wie. z.B. Backen daraus lernt. Es gibt online auch Gruppen, die sich gegenseitig austauschen und unterstützen. Durch die Anonymität trauen sich Jugendliche, über ihre Probleme zu sprechen und das kann sie sehr stärken. (Ini Friedrichs) **Gedanken, Fragen und Erfahrungen des Publikums:** * Was ist die Aufgabe für die Erwachsenen, sowohl Fachkräfte als auch Eltern, damit Medien positiv genutzt werden können? - Sven Benkendorf: Das grundsätzliche Interesse ist zunächst sehr wichtig. Eltern können sich nicht von ihrer Verantwortung freisprechen, da sie sich mit dem Internet, Sozialen Medien etc. nicht auskennen, sondern müssen interessiert daran bleiben, was ihre Kinder dort tun. * Zwiespalt zwischen Begleitung und Grenzsetzung. Eltern und Fachkräfte tragen auch Verantwortung, altersangemessene Grenzen zu setzen. * Einblick aus der psychiatrischen Praxis: Bereits sehr junge Kinder zeigen Verhaltensauffälligkeiten, da auch sie mit Medien konfrontiert aufwachsen. Es treten Entwicklungsprobleme auf, leichtere Reizbarkeit kann beobachtet werden, soziale Ängste werden häufiger und auch die Intimität hat sich verändert, da junge Erwachsene häufig nicht in realen Kontakt kommen. * Erwachsene sollten sich zwar mit den Themen der Jugendlichen auskennen, allerdings ist es für die Jugendlichen auch wichtig, ihre eigenen Bereiche zu haben. * Mediensucht ist vergleichbar mit Essstörungen in der Hinsicht, dass widersprüchliche Erwartungen an Jugendliche dahinterstehen. Bis zu einem gewissen Punkt ist es gut, sich mit Medien auskennen und sich damit zu beschäftigen, aber ab einem gewissen Punkt gilt man als süchtig. * Wir als Erwachsene sind schlechte Vorbilder. Die Gesellschaft setzt den Jugendlichen Ansprüchen aus, denen sie gar nicht gerecht werden können. Einzelnen Personen dann eine Krankheit zu diagnostizieren, lenkt von unserer gesellschaftlichen Situation und Verantwortung ab. **Podium** * Frage: Müssen Fachkräfte überhaupt in allen Bereichen und Lebensräumen präsent sein? * Jugendliche trennen die digitale nicht von der analogen Welt. Beides gehört gleichermaßen zu ihrer Lebenswelt dazu. Bezugspersonen sollten sich also darüber informieren und sich auch gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen über Risiken und Nebenwirkung der Nutzung von sozialen Medien wie beispielsweise Tiktok sprechen. Dafür müssen sie selbst lernen, die von ihren Kindern genutzten Apps und Internetseiten zu verstehen, auch, wenn sie eigentlich kein Interesse daran haben. (Michèle Sanner) * Die Aufgabe der Fachkräfte ist es, die Eltern zu unterstützen und gesellschaftlichen Rückhalt zu bieten. (Ini Friedrichs) * Lehrkräfte müssen sich Kompetenz über Algorithmen, das Erkennen von Desinformation und auch von problematischem Medienkonsum von SchülerInnen aneignen und erlernen, wie sie damit umgehen können. (Yvonne Schiemann) * Michèlle Sanner würde sich wünschen, dass Kinder von Anfang an durch Fachkräfte darüber informiert werden, worauf sie beim Medienkonsum achten müssen. So sollten sie später selbst reflektieren können, ob ihr Medienkonsum angemessen ist. * Man muss die Chancen und Risiken ernst nehmen, die Medienkonsum für Kinder und Jugendliche bieten (Sven Benkendorf). 12:45-14:00 MITTAGSPAUSE 14:00-16:00 Workshops: Einblick in die Lebenswelten --- **TikTok- it`s still not over yet**. In diesem Workshop wird die Medienpädagogin Jule Kehr Ritz die Funktionsweise der App TikTok erklären, Hypes und Trends aufzeigen. (Wir wollen uns ) TikTok anschauen, ausprobieren und vielleicht sogar verstehen, warum es so leicht ist im Scrollen hängen zu bleiben. Jule Kehr-Ritz, ServiceBureau Jugendinformation, Projekt future_fabric **MITSCHRIFT:** * immer noch beliebteste App für alle Jugendlichen, bricht alle Download-Rekorde, globale Nutzer:innenzahlen bei 1 Milliarde/Monat (2021) * Schlagzeilen: tödlich endende Challenges, Zensur... * erfunden von chinesischem Unternehmen ByteDance * 2016 auf den Markt gegangen * Altersfreigabe USK: 13 Jahre, theoretisch bei Hochladen von Einverständnis der Erziehungsberechtigten (oder falsches Alter eingeben...) * browserbasiert ohne Anmeldung möglich * kostenfrei, aber in-App-Käufe: Nutzer:innen können Creator:innen während live-Streams Geld-Geschenke machen (z.T. über 100 Euro) * noch nie einfacher, Videos aufzunehmen, zu bearbeiten und zu posten * durchschnittliche Länge der Videos: 60 Sek. aber Trend zu längeren Videos (da lassen sich auch besser Werbeanzeigen platzieren...) * 2/3 der Nutzer:innen sind zwischen 16 und 24 Jahre alt * mehr weibliche als männliche User:innen * lange Verweildauer im Vergleich zu anderen Apps * ByteDance: * chinesischer Staat hat Anteile an dem Unternehmen und alle Mitarbeitenden müssen Parteimitglied sein * totale Netzkontrolle in China --> eigene stark kontrollierte Tiktok-Version für den chinesischen Raum * USA: Anti-Tiktok-Erlass von Trump * Indien: Verbot (2020), Begründung: Gefahr für Sicherheit und Integrität des Landes - Streit zwischen China und Indien * Videos können geliket, kommentiert und geteilt werden * Es wird angegeben, welcher Song zu hören ist --> darauf kann geklickt werden und dann eigenes Video zum selben Song erstellt werden * verschiedene Video-Formate * Tanzen * Pranks * LipSync * Duette (zwei Videos nebeneinander) * Challenges * Tutorials * ... * es entsteht Insider-Wissen und Bezüge im Sprachgebrauch * "It's corn" --> alle wissen was gemeint ist * "sag mir du liebst kochen ohne zu sagen, dass du kochen liebst" = Trend * "PrisonTok" * "PainTok" * Algorithmus anders als bei anderen Apps: kein Social Graph (personenbasiert) sondern Content Graph (inhaltsbasiert) * KI analysiert Inhalt beim Hochladen --> Zensurmöglichkeit * Rabbit Hole * Tiktok spielt aber auch automatisch Content ein, der nicht dem Algorithmus entspricht * chinesische Regierung verfolgt das Ziel, alles zu löschen und zu sperren was nicht ihren Interessen entspricht --> kreativer Umgang durch Content-Creator:innen (Kritik verpackt als MakeUp-Tutorial o.ä.) * Nutzung von Filtern * verstörende Inhalte --- "**Abwarten - bis es vorbei ist"** Binge Watching am Beispiel von Netflix und Co: Markus Gerstmann gibt einen Einblick auf die Plattform, ihre Nutzung von jungen Menschen sowie deren unterschiedliche Nutzungsverhalten. Markus Gerstmann, ServiceBureau Jugendinformation **MITSCHRIFT:** Einführung * Wie wurden Medien in den letzten 2 Jahren genutzt? (speziell in der Pandemie) * Lineares Fernsehen wird nach und nach von Streaminganbietern verdrängt Frage an die Teilnehmenden: Welche Serien werden geschaut oder sind Thema? * Netflix-Serien, die Diversität zeigen * Kleo, Damengambit, Sexeducation, Breaking Bad * YouTube * Dokumentationen * Dokus und Serien über z.B. Mörder * Filme werden auch von manchen bevorzugt * Nachrichtensendungen Input und Gespräch * Durch die in den Serien angesprochenen Themen entsteht Redebedarf bei den Jugendlichen. Dafür sollte von Fachkräften Raum gegeben werden. Problematisch ist nicht das Schauen von Serien an sich, sondern wenn die Themen nicht besprochen werden. * Es werden auch ethische Diskussionen losgetreten, allerdings wird das von Netflix nicht aufgegriffen. Dabei fehlt die kritische Hinterfragung. * Beim linearen Fernsehen tragen die Sendezeiten zu einer gewissen Beschränkung bei. Bei Streaminganbietern und Mediatheken kann dies umgangen werden, weil alles jederzeit verfügbar ist. * Fachkräfte sollten sich ein Bild von den verschiedenen Serien machen. * Oliver Schütte geht davon aus, dass Netflix bzw. andere Streamingdienste die 3. Revolution des Fernsehens ist. Im Gegensatz zum linearen Fernsehen können die Streamingdienste das Konsumverhalten analysieren und somit das Angebot anpassen. Die gleiche Serie wird unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Bildern angezeigt. * Die Mediatisierung ist ein gesamtgesellschaftlicher Metaprozess und lässt sich nicht nur auf das technische reduzieren. Früher gab es ein vorgegebenes Programm und heute ist alles jederzeit verfügbar. Zusätzlich ist alles viel schnelllebiger geworden. Das hat auch einen Einfluss auf die Kommunikation darüber. * Jeder und vor allem Jugendliche haben immer die Möglichkeit, sich zwischen einer Serie und einer sinnvolleren Tätigkeit, wie z.B. Fußballtraining zu entscheiden. Das war schon immer so, allerdings ist die Verfügbarkeit aktuell größer, denn je. * "Asi-TV" ist problematisch, weil die Menschen dadurch stigmatisiert und bloßgestellt werden. * Auch Social Media hat eine große Bedeutung, wenn Serien dort erwähnt und promotet werden. Hinter den Streaminanbietern stehen multinationale Konzerne mit wirtschaftlichen Interessen und einer riesen Menge an gesammelten Daten. * Die gesammelten Daten werden weiter verkauft. * Aktuell stagniert das Wachstum von Netflix, weil immer mehr Anbieter dazu kommen. * Studien belegen, dass auch die öffentlich rechtlichen Sender noch einen großen Stellenwert auch für Jugendliche haben. Sie haben den Auftrag zu informieren und bei wichtigen Themen greifen viele auch trotz anderer Angebote darauf zurück. * Was ist Binge Racing? Das Ziel ist es, als erstes mit einer bestimmten Serie fertig zu sein. Solche Leute muss es geben, um andere für diese Serie zu gewinnen. * Binge Watching ist eine Art Realitätsflucht und auch gesund. Es kann aber nicht das Gedächtnis ruinieren. * Bricht man den Aufbau von Serien, wie Stranger Things auf die Basics runter, haben viele den gleichen Aufbau. Der Aufbau des Tatorts runtergebrochen: https://youtu.be/9QENcN-srE0 * Medienkritik erfolgt analytisch, reflexiv und ethisch. Fazit * Man sollte nur so viel Medien nutzen, solange es einem gut tut. Den Punkt zu erkennen, ab dem es einem nicht mehr gut tut, muss man lernen. Dieses Lernen ist ein Prozess, den Fachkräfte und Eltern im besten Fall anregen sollten. --- **„Wir wollen doch nur spielen.“** Spiel- und Medienpädagoge Sven Benkendorf gibt einen Überblick darüber, warum Gaming so faszinierend und (z.T. buchstäblich) fesselnd sein kann, welche unterschiedliche Spielformen und Motivationen es zum Spielen gibt und warum Gaming mehr als nur Spielen ist. Sven Benkendorf, ServiceBureau Jugendinformation, Projekt Digi4OJA **MITSCHRIFT** INPUT Zahlen zur Einführung: * Digitale Spiele sind kein Jugendphänomen (59% der Deutschen spielen Computer- und Videospiele, alle Altersklassen) * 72% der Jugendlichen spielen täglich oder mehrmals die Woche (Es gibt noch immer Unterschiede zwischen den Geschlechtern, allerdings nicht mehr so stark wie früher) * Je älter die Jugendlichen sind, desto seltener spielen sie regelmäßig Was ist ein Spiel (nach Häusinger): * Spielen ist eine freie Handlung * Handlungen die im Spiel durchgeführt werden sind "nicht ernst gemeint" * Handlungen außerhalb des gewohnten Lebens * Ein Spiel kann völlig in Beschlag nehmen * Ein Spiel hat keinen Zweck oder materielles Interesse, man spielt es nur um des Spielens willen * Bestimmte Zeit, bestimmter Raum, bestimmte Regeln * ruft Gemeinschaftsverbände ins Leben * von einem Geheimnis umgeben * Verkleidung Was ist ein Spiel (nach Juul): * Regeln * Gewinnen oder Verlieren (Ergebnis) * SpielerInnen strengen sich an, um Ergebnis zu beeinflussen * Ergebnisse berühren SpielerInnen emotional * Ergebnisse sind verhandelbar * Die Möglichkeit des Scheiterns muss vorhanden sein, da sonst niemand Lust hätte zu spielen. Andersrum muss man es um Lust auf das Spielen zu haben auch schaffen können zu gewinnen. Wie wird gespielt: * Jemand spielt, jemand anderes guckt zu (Gemeinschaft durch Hilfe, Diskussion etc.) * Online gemeinsam mit Bekannten und Fremden * Gleichzeitig an einem Gerät mit mehreren Controllern * LAN-Party * Alleine Warum spielen wir? * Action (z.B. Erleben, Zerstören) * Soziales Miteinander (z.B. Community) * Meistern von Herausforderungen (z.B.Strategie, Aufgaben im Spiel) * Erfolge erreichen (z.B. Achievements sammeln) * Immersion erleben (z.B. in Fantasy-Welt eintauchen) * Kreativität erleben (z.B. selbst etwas bauen) Warum spielen Jugendliche? Befragte im Alter von 12 bis 19 Jahren: (Geordnet nach Häufigkeit) * Spaß * Abschalten * Zeit vertreiben * Besser werden wollen * Spannende Aufgaben lösen * Teil eines Teams sein * Weil FreundInnen spielen INTERAKTIV 3 Spielstationen: * Switch (Cuphead) * Tablet (Brawl Stars) * Laptop (The Witcher 3) Alle Teilnehmenden durchlaufen alle Stationen und probieren selbst gemeinsam Spielmechaniken aus. Eindrücke der TeilnehmerInnen: * The Witcher: Zeit wie im Flug vergangen, man verliert das Zeitgefühl * Kommunikationsfördernd, lustig * Brawl Stars: Rundenbasierten Spiele sind in gewisser Weise mit Tiktok vergleichbar (Runde beginnt, man spielt, man stirbt, man startet die neue Runde...) * Cupheads: Frustration, viele Anforderungen, schwerer als gedacht INPUT Warnsignale Gaming Disorder * Kontaktverhalten (Begegnungen meiden) * Nutzungszeiten (es wird immer länger gespielt) * Tagesstruktur (zu wenig Schlaf, oft müde) * Affekt (launisch, verstimmt, wenn Person nicht spielen kann) * Nachlässigkeit (Verpflichtungen werden vernachlässigt) INTERAKTIV Kreiert in Gruppen a 3 Personen das "süchtigmachenste Spiel der Welt" * Name des Spiels * Zielgruppe * Was macht euer Spiel besonders? * Wie haltet ihr eure Spieler*innen am Ball? * Womit macht das Spiel Geld? Vorstellen der entstandenen Spieleideen, Austausch untereinander * unterschiedliche Herangehensweise: sehr konkret mit Spieldesign und Inhalten vs. Überlegung zu universellen Spielmechaniken INPUT Suchtfördernde Eigenschaften Videospiele * Open World (viel Zeitinvestition) * Personalisierung (Jugendliche: Selbstdarstellung) * Soziale Zugehörigkeit/Verpflichtung (Zugehörigkeiten zu Clans etc.) * Dauer-Feedback (Schwierigkeit steigt mit eigener Verbesserung) * Belohnungen * Events * Lootboxen * Virtuelle Währung/Handel * free2play * VR (Immersion) Wie können Spiele gesehen und genutzt werden? * Individuelle Betrachtung von Spielen und Spielenden nötig (Wer spielt was und warum? Suchtbegriff nur professionell verwenden) * Spiele ernst nehmen * Spiele als Ressource sehen * Spiele pädagogisch nutzen (Digital Game Based Learning, User-generated content) * Lernspiele (Frage: Sind das noch Spiele, da nicht unbedingt freiwillig) * Gamification (Spielelemente werden in spielfremde Situationen eingebaut, Beispiel: Laufapp, in der man vor Zombies davonläuft) * Expressive & Persuasive Games * Serious Games (Thematisierung ernster Themen) * Kooperationsspiele, gemeinsam Ziele erreichen * Cosplay * Modden * Tuniere (Fifa, Mario Kart, Fair Play) * Digitale Spiele im Analogen umsetzen ... INTERAKTIV Flipchart - Chancen & Grenzen/Gefahren von Gaming und daraus folgende Handlungsempfehlungen Chancen: * Infos bekommen * Kommunikation ermöglichen * Abenteuer können stattfinden * Begegnung (z.B. Eltern/Kind) * Modden + Individualisieren im Spiel Grenzen/Gefahren: * Vernachlässigung anderer Aktivitäten * Verschuldung * Entfremdung von der realen Welt Handlungsempfehlungen: * über eigenen Schatten springen * Kind als Experte * mit Kind über das Spiel sprechen ... 16:00-16:30 Abschluss mit Flipchart-Präsentation