Einstiegsvideo
Wir starten mit mehreren Fallbeispielen von Lehrerinnen und Lehrern, die alle vor unterschiedlichen Herausforderungen stehen.
Herr Meier unterrichtet Sport und Englisch an einer weiterführenden Schule in Oldenburg. Die Schulleitung an seiner Schule hat vor kurzem ein Learning Managment System (LMS) eingeführt. Die Vorgabe ist, dass alle Kolleginnen und Kollegen das neue System spätestens ab dem kommenden Schuljahr im Unterricht einsetzen sollen. Herr Meier findet das verkehrt. Er ist bisher auch ohne solch ein System gut zurecht gekommen. Außerdem kommt er mit solchen technischen Dingen einfach nicht gut zurecht. Er ist schließlich Lehrer und kein Programmierer.
Frau Müller unterrichtet Deutsch und Geschichte an einer weiterführenden Schule in Hannover. In letzter Zeit hört sie im Lehrer*innenzimmer ständig von irgendwelchen Tools, die ihre Kolleginnen und Kollegen im Unterricht ausprobieren. Sie hat den Eindruck, dass ihre Schülerinnen und Schüler so etwas auch von ihr erwarten. Letzte Woche war sie deshalb auf einer Fortbildung zum Thema ‚Lehren mit digitalen Tools‘. Danach fühlte sie sich allerdings nur noch orientierungsloser, weil sie überhaupt nicht mitgekommen ist. Und dann ist da ja auch noch der Datenschutz, der sie verunsichert, weil sie gar nicht weiß, was sie überhaupt nutzen darf und was nicht.
Herr Schmidt unterrichtet Mathematik und Physik an einer weiterführenden Schule in Braunschweig. Er steht gerne vor der Klasse und steckt vor allem viel Leidenschaft in die Gestaltung von physikalischen Experimenten mit seinen Schülerinnen und Schülern. Nun hat die Schulleitung ihn allerdings in eine Arbeitsgruppe eingeteilt, die einen Projekttag vorbereiten soll. Das Ziel des Tages ist es, fächerverbindende Herausforderungen zu definieren und dann jahrgangsübergreifend zu bearbeiten. Ihm gefällt die Idee nicht. Was soll er da denn beitragen? Welche Ahnung hat er denn schon von Sozialkunde oder gar Französisch? Außerdem hat er dazu wirklich keine Zeit.
Frau Schneider unterrichtet an einer Grundschule in Vechta. Sie hat eine tolle dritte Klasse mit wunderbaren Schülerinnen und Schülern und ihr Beruf macht ihr viel Freude. Noch schöner wäre es allerdings ohne all die vielen kleinen Nervereien, die ihr immer wieder begegnen. Dazu gehört zum Beispiel das Tablet, mit dem sie hin und wieder zu arbeiten versucht, aber dann meist schnell entnervt aufgibt oder das Whiteboard in ihrem Klassenzimmer, bei dem auch dauernd irgend etwas nicht funktioniert. Nun wurde auch noch ein neues, digitales Zeugnisprogramm an der Schule eingeführt. Sie ahnt schon, dass da neuer Frust auf sie wartet.
Vielleicht geht es Dir manches Mal ein bisschen wie den hier vorgestellten Kolleginnen und Kollegen: Ständig neue Anforderungen und dabei viel zu wenig Zeit! Hier hilft es, zunächst für sich selbst im Kopf zu sortieren, was genau die Herausforderung ist. Darauf aufbauend ist es dann deutlich leichter, sie zu bewältigen.
Um besser zu verstehen und dann handeln zu können, schauen wir uns zunächst an, mit welchen Rollen Lehrkräfte heutzutage konfrontiert sind. Darauf aufbauend lernen wir, Herausforderungen für uns zu sammeln und zu charakterisieren.
Die kanadische Initiative Ontario Extend baut ihr Fortbildungsprogramm für Lehrkräfte darauf auf, dass für Lehrer*innen im digitalen Zeitalter mindestens 5 Rollen zu einem früheren Verständnis des Lehrberufs hinzugekommen sind. Demnach sind Lehrkräfte …
Mit diesen vielfältigen Rollen von Lehrkräften im Blick verstehen wir besser, warum vielleicht auch wir uns häufig überfordert fühlen oder denken, den Ansprüchen nicht genügen zu können: Wir sind in sehr schnellem Tempo mit sehr vielen Herausforderungen konfrontiert!
Zu wissen, warum wir oft das Gefühl haben, den Ansprüchen nicht zu genügen, ist das eine. Diese Situation zu überwinden, das andere. Beginnen solltest du mit einer Sammlung aller Herausforderungen, vor denen Du stehst.
Praktisch bedeutet das, dass wir für uns aufschreiben, was genau unsere Schwierigkeiten, Fragen oder Herausforderungen sind. Dabei sollten wir so konkret wie möglich werden.
Anstatt also zum Beispiel zu schreiben ‚Ich komme mit der Technik an der Schule nicht zurecht‚. besser: ‚Das Whiteboard in meinem Klassenraum zeigt immer irgendwelche Fehlermeldungen an, die ich nicht verstehe.‘
Zweitens sollten wir größere und zusammenhängende Herausforderungen wenn möglich in kleinere Herausforderungen zerlegen. Anstatt zum Beispiel zu schreiben ‚Ich komme mit unserem Moodle nicht zurecht‚ besser ‚Ich kann das Moodle nicht bedienen‚ und ‚Ich weiß nicht, wie ich das Moodle in meinem Unterricht einsetzen kann.‘
Anstelle eines großen, unsortierten Kuddemlmuddels, das uns erschlägt, haben wir dann eine Liste mit konkreten Herausforderungen. Durch das Sammeln sind sie noch lange nicht gelöst, aber wir sind der Lösung einen wichtigen Schritt näher gekommen.
Wenn wir wie oben dargestellt unsere Herausforderungen sammeln, dann stehen auf der entstandenen Liste wahrscheinlich sehr unterschiedliche Dinge darauf. Intuitiv können wir uns denken, dass die Herausforderung ‚Mein Ton in der Videokonferenz funktioniert oft nicht‘ eine andere Lösungssuche benötigt als die Herausforderung ‚Ich finde, dass mein Unterricht nicht abwechslungsreich genug ist.‘
Um die unterschiedlichen Herausforderungen zu charakterisieren, können wir uns am so genannten Cynefin-Modell orientieren. Dieses geht von vier unterschiedlichen Arten von Herausforderungen aus. Demnach kann eine Herausforderung klar, kompliziert, komplex oder chaotisch sein. Je nachdem, wie eine Herausforderung kategorisiert wird, erfordert sie eine andere Lösungssuche. Wer sich für das Modell genauer interessiert, findet im Wikipedia-Artikel dazu nähere Informationen. Für unser Lernen möchten wir daran angelehnt eine Charakterisierung in zwei Kategorien vornehmen:
Wie genau die beiden Wege funktionieren, werden wir in den weiteren Lerneinheiten betrachten. In dieser ersten Lerneinheit zur Definition der Herausforderung geht es zunächst nur darum, dass Du beide Kategorien kennst und dass Du Herausforderungen entweder der einen oder der anderen Kategorie zuordnen kannst.
Herr Meier, Frau Müller, Herr Schmidt und Frau Schneider haben sich die drei Schritte durchgelesen, verstehen ihre Situation jetzt besser und machen sich daran, ihre jeweiligen Herausforderungen zu definieren.
Was die Kolleg*innen können, kannst Du auch 🙂 Schreibe eine Liste mit allen Herausforderungen und Fragen, vor denen Du aktuell stehst.
Wenn Du Deine Liste fertig geschrieben hast, geht es in der nächsten Lerneinheit weiter mit der Lösungssuche.