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title: Einheit 5 - Teilen
tags: Selbstermächtigung
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## Fallbeispiele: Warum sollte ich teilen?
Die vier Kolleg\*innen, die uns durch den Kurs begleitet haben, sind inzwischen eigentlich ganz zufrieden und gut sortiert. Sie haben in den letzten Lerneinheiten gelernt, wie sie eine Herausforderung fassen können, wie sie Antworten suchen und diese anwenden können und vor allem auch, wie sie kollaborativ mit anderen zusammenarbeiten können. Die letzte Herausforderung ist es nun, nicht nur auf die Inhalte und Kompetenzen von anderen zurückzugreifen, sondern auch selbst zu teilen. Ein bißchen klang das Thema in der Lerneinheit zu Kollaboration bereits an.
Als die vier Lehrkräfte darauf angesprochen werden, in kollaborativen Prozessen auch die eigenen Erfahrungen und Inhalte zu teilen, reagieren sie zunächst verunsichert bis verhalten:
* Herr Meier findet, dass er mit seinen Moodle-Experimenten ja noch ganz am Anfang steht. Da braucht er noch etwas Zeit, bevor er selbst etwas teilen kann.
* Frau Müller blickt auf ihr begonnenes eigenes Unterrichtsmaterial zu Twine und überlegt zum einen, dass das ja doch ein ganz schön großer Aufwand wäre, das so aufzubereiten, dass sie es mit anderen teilen kann. Außerdem weiß sie nicht so recht damit umzugehen, dass doch bestimmt einige ihr Material nur nutzen würden, aber selbst nie etwas teilen wollen.
* Herr Schmidt hatte überlegt, ob er seine physikalischen Experimente anderen Kolleg\*innen zeigt. Aber dann hat er doch Sorge, dass ihm da irgendwelche Fehler unterlaufen sind und er einiges an Kritik einstecken muss.
* Frau Schneider kann sich grundsätzlich schon vorstellen, etwas von ihren Learnings mit anderen zu teilen. Aber wenn dann nur im eigenen Kollegium. Da weiß sie dann wenigstens genau, an wen das geht.
Diesen Einschätzungen stellen wir in dieser Lerneinheit die Auffassung entgegen, dass offenes Teilen in der Bildung für alle Beteiligten eine gute Idee ist.
## So geht Teilen (und darum ist es sinnvoll!)
Marie von Ebner-Eschenback wird der Spruch zugeschrieben, dass Wissen, das einzige Gut sei, dass sich vermehre, wenn man es teile. Das lässt sich auch ganz einfach visualisieren:
![](https://i.imgur.com/pzRFjPw.jpg)
Hier ist es sofort einleuchtend, dass materielle Güter wie z.B. Gummibärchen durch Teilen immer weniger werden. Aber warum werden Ideen beim Teilen mehr?
1. Wenn jede Person aus einer Gruppe etwas beisteuert, dann entsteht im Ergebnis eine ziemlich beeindruckende Sammlung. Mit dem einzelnen Beitrag von sich selbst, wäre man wahrscheinlich noch nicht weit gekommen. Aber in Kombination mit allen anderen Beiträgen lässt sich gut arbeiten. ==Ergänzung im Kurs um ein konkretes Experiment, z.B. Teile eine Formulierung für wertschätzendes Feedback==
2. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Kreativität darin besteht, etwas ganz neu zu erfinden. Stattdessen basieren die meisten Erfindungen der Menschheit darauf, dass etwas Bestehendes angepasst, erweitert oder umgestaltet wurde. Und auch im Kleinen entsteht etwas Neues vor allem dann, wenn bestehende Ideen und Ansätze zusammengebracht werden. ==Ergänzung Infokasten: Design Thinking Methode==
3. Wer eine Idee teilt, bekommt oft Feddback und Rückmeldungen dazu. Das kann helfen, die Idee besser zu machen und die Umsetzung voranzubringen. Alternativ kann Teilen auch bedeuten, eine Idee 'freizugeben', so dass dann andere daran weiter arbeiten können.
Wir können also festhalten: Teilen ist sowohl für einen selbst als auch für alle anderen Beteiligten eine gute Idee. Und in der Bildung kann Teilen dazu beitragen, dass Lehren und Lernen für alle besser wird. Wie aber geht Teilen ganz konkret? Ganz grob lassen sich zwei Varianten unterscheiden.
### Variante 1: 'Einfach so'
Für die erste Variante des Teilens wird nichts weiter benötigt als ein bißchen Offenheit und Mut. Es geht darum, dass man Ideen, Einfälle und Erfahrungen nicht für sich behält, sondern anderen davon erzählt. Dazu kann man verschiedene Wege wählen:
* Im persönlichen Gespräch mit Kolleg\*innen.
* Über ein soziales Netzwerk wie zum Beispiel Twitter.
* In Peer-to-Peer Lernkontexten wie z.B. in einer Mikrofortbildung oder bei einem Barcamp.
### Variante 2: Mit einer offenen Lizenz
Wenn ich nicht nur über eine Idee oder eine Erfahrung erzähle, sondern ein Material erstelle, dann kommt beim Teilen eine rechtliche Ebene dazu. Denn wenn ich etwas erstelle, dann fällt das Ergebnis unter das Urheberrecht und kann von anderen nicht offen weitergenutzt werden. Das geschieht automatisch - ohne weiteres Zutun von meiner Seite. Wenn ich also etwas Erstelltes offen zur Weiternutzung freigeben möchte, dann muss ich aktiv werden.
Als 'Lösung', um bei bestehendem Urheberrecht trotzdem offen Materialien weiternutzen zu können, haben wir bereits offene Lizenzen und Open Educational Resources (OER) kennengelernt. Wenn ich also ein erstelltes Material offen teilen will, dann muss ich es als OER veröffentlichen. Hierbei gibt es 5 Aspekte zu beachten:
Für eine erfolgreiche Freigabe meines Materials muss ich die folgenden fünf Aspekte beachten.
**1. Offen lizenzieren:**
Unbedingte Grundlage für die Freigabe eines Materials ist die Veröffentlichung unter einer offenen Lizenz. Zu den OER-Lizenzen im engeren Sinne zählen hier die Lizenzen 'mit Namensnennung' (= CC BY) sowie 'mit Namensnennung und unter gleichen Bedingungen weiter nutzen' (= CC BY SA). Außerdem kann ich mein Material umfassend freigeben. Dann müssen andere gar keinen Lizenzhinweis mehr angeben (= CC0, Public Domain). Diese Lizenzen haben wir bereits in der vorherigen Lerneinheit kennengelernt.
Als Faustregel bei der Auswahl der Lizenz gilt: Wenn es mir wichtig ist, dass mein Name genannt wird, dann CC BY, sonst einfach Public Domain. CC BY SA ist dann nötig, wenn ich Materialien von anderen weiter verwende, die unter CC BY SA veröffentlicht sind.
**2. Lizenzhinweise und Credits ergänzen:**
Wenn in meinem Material urheberrechtlich geschützte Inhalte enthalten sind, dann steht das im Widerspruch zu einer offenen Lizenzierung. In diesem Fall muss ich diese Inhalte zunächst entfernen oder nach offen lizenzierten Alternativen suchen.
Offen lizenzierte Materialien, die ich im Rahmen meines Materials weiternutze, muss ich mit einem Lizenzhinweis versehen. Dabei hilft mir die TULLU-Regel aus der letzten Lerneinheit.
Ich helfe anderen, wenn ich auch bei gemeinfreien Medien einen kurzen Credit ergänze, woher das Bild stammt. Rechtlich erforderlich ist das nicht.
**3. Auffindbar machen:**
Eine offene Lizenz allein hilft noch nicht viel, wenn andere mein Material nicht finden und weiter nutzen können. Zwischen meinem Material und den potentiellen Nutzer\*innen steht in der Regel eine Suchmaschine. Die Suchmaschine wird mein Material dann als OER erkennen, wenn die Lizenz maschinenlesbar ist. Der sicherste Weg, um eine Maschinenlesbarkeit zu erreichen, ist eine Gestaltung mithilfe des offiziellen [Creative Commons Licence Chooser](https://creativecommons.org/choose/). Dann musst Du Dir auch um die Versionsnummer der Lizenz keine Gedanken machen.
**4. Angaben zur Weiternutzung machen:**
Wenn ich schon einmal selbst einen Lizenzhinweis geschrieben habe, dann weiß ich, wie hilfreich Angaben zur Weiternutzung innerhalb der Lizenz sind. Diese kann ich im Licence Chooser im Abschnitt ‘Helfen Sie anderen, die Namensnennung korrekt vorzunehmen!’ ganz einfach ergänzen.
**5. Offen zur Verfügung stellen:**
Mit einer offenen Lizenz allein, ermögliche ich anderen nicht oder nur sehr eingeschränkt eine Weiternutzung meines Materials. Mein Anspruch sollte es sein, Formate zu wählen, die andere einfach verändern und anpassen können. Das funktioniert z.B. bei einfachen Textdokumenten oder auch bei spezifischen OER-Editoren wie zum Beispiel H5P. Grundsätzlich gilt: Je vielfältiger die Formate, desto mehr Menschen können das Material potentiell weiter nutzen.
Auch hier gilt: Das klingt erst einmal nach viel, aber wenn Du erst einmal Dein erstes OER veröffentlicht hast, dann wirst Du darin schnell Routine entwickeln.
==Infokasten/ Akkordion zu häufigen Einwänden zum Teilen==
Auf welche Hindernisse bzw. welchen Widerspruch trifft eine Kultur des Teilens in der Bildung?
:::spoiler Ich bin die einzige Person, die immer teilt. Das ist ungerecht!
Dieser Einwand lässt sich leicht entkräften. Denn wenn man Teilen als etwas Positives versteht, was einem selbst weiter bringt, dann kann man alle, die nicht teilen, nur bedauern. Ich würde mich ja auch nicht darüber beklagen, dass nur ich immer Schokolade geschenkt bekomme – und niemand sonst 🙂
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:::spoiler Das Material aus Schulbüchern ist nicht offen lizenziert. Das geltende Urheberrecht verhindert Teilen. Lizenzen sind zu kompliziert.
Dieser Einwand weist auf ein tatsächliches Problem hin: Das Urheberrecht in seiner aktuell gültigen Form, geht nicht von kollaborativer Entwicklung und offenen Teilen aus. Und alles, was urheberrechtlich geschützt ist, darf nicht öffentlich geteilt werden. Sobald ich aber selbst etwas erstelle, habe ich die Hoheit, darüber, zu entscheiden, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen ich eine Weiternutzung erlauben will. Beim ersten Mal wirken die für solche Open Educational Resources (OER) verwendeten Creative Commons Lizenzen wahrscheinlich für viele sehr kompliziert. Man bekommt aber recht schnell Routine in der Nutzung. Und es hilft, sich immer wieder vor Augen zu halten, dass die Alternative darin besteht, das Rad immer wieder neu zu erfinden.
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:::spoiler Teilen ist Mehrarbeit. Mir fehlt es an Freiraum dazu.
Dieser Einwand weist zu Recht daraufhin, dass die Etablierung einer Kultur des Teilens zunächst vielleicht manche Anfangsinvestitionen erforderlich macht. Es stellen sich Fragen wie zum Beispiel: Wo kann ich teilen? Oder: Was muss ich rechtlich beachten? Zugleich gilt aber auch: Diese Anfangsinvestitionen zahlen sich mehr als aus. Nicht nur, dass ich durch offenes Teilen Bildung für alle besser mache. Zugleich bekomme ich durch Feedback, geteilte Materialien von anderen und Angebote zur Kollaboration sehr, sehr viel zurück.
:::spoiler Geteiltes von anderen hilft mir ohnehin nicht, weil die Qualität des Materials nicht stimmt.
Sicherlich waren alle Pädagog\*innen schon mit schlechten oder unpassenden Materialien konfrontiert. Das kann aber sowohl passieren, wenn ich ein proprietäres Material aufgreife, als auch wenn ich ein geteiltes Material finde. Und da immer mehr geteilt wird, gibt es auch immer mehr unpassende geteilte Materialien – ebenso aber auch immer mehr gute geteilte Materialien. Durch den Aufbau eines persönlichen Lernnetzwerks werde ich immer mehr und immer einfacher für mich passende Materialien finden können.
:::spoiler Ich bin mit anderen in Konkurrenz.
Viele Pädagog\*innen verstehen sich immer noch als Einzelkämpfer\*innen. Und diese Wahrnehmung wird leider durch zahlreiche strukturelle Rahmenbedingungen verfestigt und bestärkt. Genau wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen gilt aber auch in der Bildung: Wenn mehr Perspektiven zusammenkommen und Menschen kollaborativ zusammenarbeiten, wird Lehren und Lernen besser.
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## Auflösung: Teilen macht Spaß!
Herr Meier, Frau Müller, Herr Schmidt und Frau Schneider sind dem Teilen gegenüber nach dieser Lerneinheit nun etwas aufgeschlossener. Sie machen es sich zur Gewohnheit, mehr mit Kolleg\*innen über ihre Ideen und Erfahrungen zu sprechen. Außerdem beginnen sie die folgenden Aktivitäten:
* Herr Meier überlegt sich, dass ihm am Anfang ja auch ganz einstiegsorientierte Tutorials zu Moodle geholfen haben. Deshalb zeichnet er einen Screencast mit seinen ersten Schritten auf und teilt das Video bei Youtube. Bei der OER-Veröffentlichung auf Youtube hilft ihm [unter anderem dieses Video](https://www.youtube.com/watch?v=P6aLfGTwDfE), das er sich vorab anschaut. Außerdem erfährt er bei der #MoodleBande, dass es auch regionale Stammtische zu Moodle gibt. In seiner Region leider noch nicht, aber vielleicht könnte er selbst dazu die Initiative ergreifen?
* Frau Müller sieht, dass sie auf WirLernenOnline auch selbst erstellte Materialien hochladen kann. Sie lädt deshalb ihre Einheit zu Märchen hoch, auch wenn sie nicht ganz perfekt ist. Vielleicht kann ja jemand anderes daran weiterarbeiten. Was sie schließlich dazu bewigen hat zu teilen, ist eine ganz einfache Rechnung: Sie hat 4 Stunden an dem Material gearbeitet. Wenn nur sie es nutzt, kostete ihre Unterrichtsstunde damit also 4 Stunden Arbeitszeit. Wenn es aber für noch drei weitere Unterrichtsstunden Anwendung findet, dann nur noch eine Stunde pro Einsatz :smile: Bei so viel mehr Effizienz ist es dann doch eigentlich auch egal, dass es einzelne Trittbrettfahrer\*innen gibt, die nur nehmen und nicht geben. Vielleicht sorgt ja auch ihr Vorbild dafür, mehr Menschen vom Teilen zu überzeugen.
* Herr Schmidt hat inzwischen mit Kolleg\*innen den pädagogischen Tag konzipiert. Die Durchführung lief recht gut. Die Learnings der Gruppe bei der Konzeption schreibt er auf und teilt sie mit dem ganzen Kollegium. Auf diese Weise haben sie eine gute Grundlage, um das geplante Frei-Day Projekt zu beginnen.
* Frau Schneider hat inzwischen einen Twitter-Account. Über diesen schreibt sie regelmäßig, wie sie ihre kleinen Nervereien löst. Sie freut sich sehr, über das Feedback, das sie dafür bekommt und dass sie anderen helfen kann. Oft bekommt sie als Antwort auch einen weiteren Hinweis, der ihr bislang noch nicht klar war. Bei ihrem ersten Barcamp meldet sie eine eigene Session an, auch wenn das zunächst etwas Überwindung kostet. Zum Glück läuft alles wirklich toll. Sie berichtet in einer kleinen Runde über ihre Erfahrungen im Kollegium zur Etablierung von Mikrofortbildungen zum digitaken Zeugnisprogramm. Auch hier hat sie den Eindruck, dass ihre Erfahrungen für andere hilfreich sind. Und zugleich erhält auch sie einige Anregungen, wie sie die Mikrofortbildungen nun noch nachhaltiger verankern können.
## Jetzt bist Du dran!
Herr Meier, Frau Müller, Herr Schmidt und Frau Schneider haben vorgemacht, wie Teilen praktisch aussehen kann. Überlege auch Du Dir, was und wie Du Teilen kannst.
## Ende gut - alles gut?
Herzlichen Glückwunsch an Dich zur Bearbeitung dieses Kurses! Vielleicht hast Du zum Abschluss den Eindruck, dass das alles ein bisschen zu viel heile Welt war. Die Realität scheint Dir aber meist nicht so nett und schön. Da gibt es pampige Kommentare auf Twitter, Streitereien im Kollegium, Müdigkeit wegen Korrekturstapel-bedingter Nachtschicht und vieles mehr. Das ist natürlich richtig - und diese Anstrengungen können wir mit diesem Kurs nicht in Luft auflösen. Trotzdem wirst Du hoffentlich die Erfahrung machen, dass eine strukturierte Lösungssuche und -anwendung, Kollaboration und Teilen diese und viele andere Herausforderungen erträglicher und einfacher bewältigbar macht. Wir wünschen Dir bei Deinen weiteren Lernprozessen viel Freude und Erfolg!