Bild: Daria Rüttimann. Lizenz: CC-BY 4.0
Die Digitalisierung ermöglicht und erfordert ein Umdenken bei der Planung zeitgemäßer Unterrichtsszenarien und der Rolle von Lehrenden und Lernenden sowie der Schule als Ganzes. Das GLAS-Konzept* reagiert auf diese Entwicklung, indem herkömmliche Kommunikationssituationen des regulären Fremdsprachenunterrichts aufgebrochen werden. Durch die Nutzung von Videokonferenzen und Social Media treten die Lernenden in den direkten Austausch mit im Ausland lebenden Schülerinnen und Schülern einer Partnerschule.
Der gezielte Einsatz von Videokonferenzen bietet eine Verbesserung im Bereich der funktional kommunikativen Kompetenzen und bereichert das Lernen darüberhinaus durch den Erwerb von medialen und methodischen Fertigkeiten sowie interkultureller Handlungsfähigkeit.
* Der Name des Konzeptes setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der am Pilotprojekt beteiligten Orte und Schulen zusammen: G(ulpen), L(eonhard), A(achen), S(ophianum)
Wenn das Klassenzimmer für Kommunikation nach außen geöffnet werden soll. Der Einsatz von Videokonferenzstunden und der Austausch in sozialen Netzwerken im Unterricht ermöglichen ein Lernen in zeitgemäßen Kontexten. In dessen Rahmen können Lernende digitale Medien so nutzen, wie sie es aus ihrer Lebenswirklichkeit gewohnt sind und zusätzliche kommunikative Kompetenzen erwerben.
In Aachen ist das Unterrichtskonzept GLAS in ein größeres ‚reales’ Austauschprogramm im Fremdsprachenunterricht eingebettet, bei dem die Schüler*innen regelmäßig in einer annähernd ‚authentischen’ Situation über eine digitale Verbindung kommunizieren. Der Kontakt zu einer Partnerschule sowie der Wille, bei einem solchen Konzept mitzuwirken, ist also erforderlich.
Tipp:
Steht keine Partnerschule zur Verfügung oder möchte man Videokonferenzen als Methode erst testen, können auch Expert*innen aus Universitäten oder Unternehmen zugeschaltet werden: Ein Meeresbiologe in Biologie, ein Politiker im Politikunterricht oder eine Autorin in der Deutschstunde.
Gemeinsam mit der niederländischen Partnerschule wurde in beiden Ländern ein sogenannter (physischer) GLAS-Raum eingerichtet, in dem jeweils ein professionelles Videokonferenzsystem mit entsprechender Möblierung und ein interaktives Whiteboard für den digitalen Austausch vorhanden sind.
Bild: Daria Rüttimann. Lizenz: CC-BY 4.0
Es sind auch alternative (mobile) technische Lösungen denkbar: z.B. ein Rechner mit Webcam oder ein Tablet samt breitbandigem Internetanschluss. Ein Raum, wie in der Illustration dargestellt, ist nicht zwingend erforderlich. Je nach Lernziel sind für individualisierte Gespräche auch 1:1 Tabletlösungen möglich. Ber dieser Umsetzung sind allerdings zusätzliche Dinge zu beachten.
Es kommt darauf an, wo man die Videokonferenzeinheit innerhalb einer Stunde platzieren möchte und ob die inhaltliche und sprachliche Vorbereitung in derselben Stunde erfolgen soll. Dies lässt sich planen, wie jede andere Unterrichtsphase auch und hängt stark vom Zweck und vom Lernziel ab. Es ist ohne Probleme möglich, mit den Austauschschülern eine gesamte Unterrichtsstunde zu füllen. In der Regel dauert eine Einheit aber (ohne Vorbereitung) 45 Minuten.
Optimalerweise sind die GLAS-Stunden fest in den Lehrplan implementiert und schließen sich thematisch an zuvor gelaufene Unterrichtseinheiten an, die aus der Lebenswelt der Jugendlichen stammen. Dies erhöht die Motivation und die ‚Authentizität’ des Gesprächs.
Nach einigen Monaten des Spracherwerbs beginnen sich die Lernenden auf eine reale Begegnung vorzubereiten, die folgendermaßen strukturiert ist:
Zu (3) - Aufbau der ersten Videokonferenzstunde in Phase 1:
Bis auf eine Expertengruppe nimmt die Klasse den Platz des aktiven Beobachters ein. Die Lehrenden übernehmen die Moderatorenrolle, eröffnen und leiten durch die Stunde, halten sich aber bei den Gesprächen im Hintergrund. Die Teilnehmenden einer deutschen und einer niederländischen Expertengruppe, die bereits aus den Steckbriefen und den E-Mails Informationen übereinander erhalten haben, setzen sich in beiden Ländern an die Konferenztische und stellen sich gegenseitig der anderen Gruppe vor.
Die Motivation, aber auch die Aufregung der Lernenden, ist zu diesem Zeitpunkt besonders hoch, so dass sich der Schwerpunkt erst einmal vom Sprachenlernen auf die Begeisterung für das neue Medium und das gegenseitige Sehen der ausländischen Lernenden verschiebt. Dieser Ersterfahrung wird entsprechend Raum gegeben.
Um dennoch das sich bald anschließende tatsächliche Treffen vorzubereiten, kommen die Lernenden anhand von unterstützenden Arbeitsblättern zu ihrem Themenbereich ins Gespräch. Alle Teilnehmenden im Raum verfolgen die Gruppengespräche über das Whiteboard und notieren sämtliche Informationen zu den ausländischen Lernenden in einer vorbereiteten Tabelle. Wenn eine Gruppe fertig ist, rotiert die nächste Expertengruppe an den Konferenztisch und übernimmt das Gespräch, bis alle an der Reihe waren.
Tipp:
Bevor der Schwerpunkt im weiteren Verlauf auf den digitalen Austausch in den Videokonferenzen gelegt werden kann, sind intensive Gespräche mit dem Fachkollegen der Partnerschule vor allem in Hinblick auf die Unterrichtsplanung, das Verständnis der Lehrerrolle, die verwendete Technik und den gemeinsamen Stundenplan wichtig. Die Absprachen sind für andere Lerngruppen entsprechend ihres Leistungsstandes, ihres Alters und der jeweiligen Thematik zu modifizieren.
*Exemplarischer Ablaufplan einer Videokonferenzstunde zum Thema 'Gegenüberstellung der typischen und individuellen Gewohnheiten der Internetnutzung Jugendlicher in Deutschland und den Niederlanden'
Phase | Unterrichtsgeschehen | Sozialform | Medien |
---|---|---|---|
Einstieg | Impuls zum Thema Internet und Social Media | UG | |
Erarbeitung | SuS bereiten die Videokonferenz sprachlich und inhaltlich für sich und die zweite Lerngruppe vor. | GA | Handout 1a-f, Wörterbücher, ggf. binnendifferenzierende Hilfekarten |
Präsentation/Sicherung Fragen-katalog | SuS verbalisieren die niederländischen Fragen und sichern die Aussprache bis zur Verbindung der Videokonferenz | SuS Kette | Handout 1a-f |
Videokonferenz | Niederländische SuS erfragen auf Deutsch allgemeine und individuelle Informationen zum Thema Internetnutzung Jugendlicher in Deutschland, beantworten die Fragen der Deutschen auf Niederländisch und machen sich Notizen zu den Ergebnissen. Deutsche SuS erfragen allgemeine und individuelle Informationen auf Niederländisch zum Thema Internetnutzung Jugendlicher in den Niederlanden, beantworten die Fragen der Niederländer auf Deutsch und machen sich Notizen zu den Ergebnissen. |
GA | Videokonferenzsystem, Whiteboard Beamer Handout 1a-f |
Auswertung der Videokonferenz | SuS bündeln und notieren die Ergebnisse der Videokonferenzgespräche | GA | Handout 2 |
Ergebnissicherung | SuS vergleichen und bewerten die Internetnutzung deutscher und niederländischer Jugendlicher | UG | Handout 2, Handout 3, Whiteboard, Beamer, Dokumentenkamera |
Eine Videokonferenz läuft in der Regel ab wie in Phase 1 beschrieben. Nachdem die Lernenden ihre Plätze als Expert*innen und Zuschauer/Zuhörer*innen eingenommen haben, und die Verbindung aufgebaut ist, dauert die Videokonferenz selbst in der Regel 45 Minuten.
Die Lernenden bereiten sich vor und brauchen auch am Ende der Gespräche Zeit, um über die Ergebnisse zu reflektieren und die eigene Arbeit zu evaluieren. Im fortgeschrittenen Verlauf der Videokonferenzen kann der Evaluationsprozess auch in Zusammenarbeit mit allen Teilnehmenden stattfinden. Für den Anfangsunterricht ist dies aber sprachlich sehr komplex und bedarf außerdem eines vertieften Vertrauensverhältnisses zwischen den Lerngruppen.
Die Beobachtungssituation zu meistern ist zu Beginn für einige Lernende schon Lernziel an sich. Der Schwerpunkt liegt daher erst einmal auf der Bewältigung der Videokonferenz selbst – dem Lesen der Aufgaben, dem Verstehen des Gegenübers, dem Sprechen mit den Austauschpartnern und das Hören und Notieren von Ergebnissen. Nicht alle trauen sich direkt bei einer Videokonferenz vor Zuschauern aktiv zu sein und laut zu sprechen. Diese Tatsache wird daher auch bei der Gruppenzusammenstellung beachtet und beeinflusst die Reihenfolge, nach der die Expertengruppen während der Videokonferenz agieren.
Tipp:
Ein Vorteil des Besuchs im Vorfeld liegt darin, dass die Lernenden sich bereits kennengelernt haben, und die Hemmschwelle dadurch sinkt. Etwaige kommunikative Unsicherheiten oder Berührungsängste der Lernenden werden durch bereitgestelltes binnendifferenzierendes Sprachmaterial (scaffolding) auf Hilfekarten unterstützt.
Eine Videokonferenz ist thematisch und strukturell individuell von der Lehrperson zu planen, wie jede normale Unterrichtsstunde auch. Der klassische Dreischritt von Einstieg, Erarbeitung und Ergebnissicherung bietet sich genauso an wie andere Phasierungsmöglichkeiten. Besonders beachtet werden soll aber, dass alle Beteiligten aktiv sind und Ergebnisse festhalten.
Das Gespräch während der Videokonferenz wird in der Regel in zwei Phasen geführt: in einer gesteuerten und einer offeneren Phase. Im zweiten Lernjahr hat es sich bewährt, die deutschen Lernenden in einer ersten Erarbeitungsphase in der Zielsprache vorformulierte, selbst entwickelte und ihnen bekannte Fragen an ihre Austauschpartner*innen stellen zu lassen, die diese dann in ihrer eigenen Muttersprache beantworten können und umgekehrt. Der Vorteil ist, dass auf beiden Seiten in der Fremdsprache zunächst nicht frei und auch nicht über sich selbst gesprochen werden muss, und das Hörverstehen und das Schreiben beim Notizenmachen in der Fremdsprache im Vordergrund stehen. Erst in einem zweiten Schritt werden individuelle Fragen gestellt, die beispielsweise auf eigene Vorlieben abzielen. Die Fragen werden von den Lernenden nach eigenem Interesse im Voraus selbst angefertigt, von der Lehrperson überprüft und dann z.B. auf einem Ziehstapel auf dem Konferenztisch platziert.
Tipp:
Bei einer Videokonferenz gibt es zwei verschiedene Lerngruppen, Lernziele und Zielsprachen. Dies sollte bei der Planung unbedingt beachtet werden, da es die Entscheidung über Sprachwahl und Ablauf beeinflusst.
Im Folgenden sind die digitalen Kompetenzen der KMK aufgeführt, die auf das Konzept zutreffen. Die Nutzung dieses Rasters dient hier lediglich als Strukturvorlage.
Konzept: Adriane Langela-Bickenbach
Redaktionelle Unterstützung: Maximilian Voigt
Illustrationen: Daria Rüttimann
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