# Emotionen ## Leistungsemotionen ### Definition und Taxonomisierung - diejenigen Emotionen von Schülern, die sie in Bezug auf leistungsbezogene Aktivitäten und die Leistungsergebnisse dieser Aktivitäten erleben (Pekrun, 2006) - Zwischenmenschliche Gefühle wie Sympathie oder Abneigung sind somit eher nicht dieser Gruppe von Emotionen zuzuordnen. - Im pädagogischen Kontext: vor allem um Lernaktivitäten, Lernemotionen als spezielle Teilgruppe der Leistungsemotionen - Lernsituationen: - Situationen, in denen man sich intentional mit einem inhaltlich definierten Lerngegenstand auseinandersetzt - Ziel: seine Kompetenzen und Wissensbestände in diesem Gegenstandsbereich zu erweitern (nichtintentionales Lernen bzw. implizites Lernen sind hier nicht angesprochen) - Leistung: wenn das eigene Handeln und die eigene Tüchtigkeit im Hinblick auf einen Gütemaßstab bewertet werden (Rheinberg, 2004). - häufig ein eindeutiges Urteil: Erfolg oder Misserfolg - Da es sich bei Lernsituationen immer auch um Leistungssituationen handelt, sind Lernemotionen als eine Teilgruppe der Leistungsemotionen aufzufassen - Ordnungskriterien: - Valenz: positiv (subjektiv angenehm)/ negativ (subjektiv unangenehm) - Objektfokus: primär auf die Aktivität oder auf das Leistungsergebnis dieser Aktivität gerichtet - zeitlicher Bezug: Fokus beim Erleben eher auf - die Zukunft (prospektiv): Objektfokus auf Ergebnissen (Hoffnung, Angst) - auf die gegenwärtige Tätigkeit (aktuell): auf die Aktivität gerichteten Objektfokus (Lernfreude, Langeweile, Frustration, ...) - zurückblickend auf ein Ergebnis (retrospektiv): Objektfokus auf Ergebnissen - selbstbezogen (Stolz, Ärger) - fremdbezogen (Dankbarkeit, Ärger) ![Tab. 9.1](https://i.imgur.com/tECbd4D.png) ### Fachspezifität von Leistungsemotionen - emotionales Erleben in einem bestimmten Fach -> emotionales Erleben in einem anderen Fach?: - nur sehr begrenzt möglich - Zusammenhänge zwischen dem emotionalen Erleben in unterschiedlichen Fächern sind insgesamt gering und am deutlichsten für inhaltlich „verwandte“ Fächer wie Mathematik und Physik oder Deutsch und Englisch - Für ältere Schüler sind die Zusammenhänge noch schwächer als für jüngere - Es gibt weniger den allgemein prüfungsängstlichen, lernfreudigen oder gelangweilten Schüler; Schüler erleben vielmehr unterschiedlich stark ausgeprägte Emotionen in den diversen Fächern ### Auftretenswahrscheinlichkeit von Leistungsemotionen und ihre Relevanz für Leistung und Wohlbefinden Im Zentrum des Forschungsinteresses und der Theoriebildung zu Emotionen im Lern- und Leistungskontext stand traditionell die Prüfungsangst. Zu Ursachen, Wirkungen und möglichen Interventionsstrategien bezüglich Prüfungsangst liegen umfangreiche Erkenntnisse vor. Andere Emotionen wie Stolz und Scham, Ärger oder Langeweile haben dagegen bisher vergleichsweise wenig Forschungsaufmerksamkeit gefunden (▶ Exkurs „Langeweile – Eine allbekannte, jedoch wenig untersuchte Emotion“). Angst ist jedoch nicht die einzige Emotion, die im Lern- und Leistungskontext auftritt und von Bedeutung ist. Pekrun (1998) hat in einer Interviewstudie mit Schülern der Oberstufe (56 Gymnasiasten der Klassen 11, 12 und 13) das emotionale Erleben im Lern- und Leistungskontext exploriert. In diesen Interviews wurde nach dem Emotionserleben in Bezug auf vier verschiedene Situationstypen gefragt (Schulunterricht, häusliches Lernen bzw. Hausaufgaben, mündliche und schriftliche Prüfungen sowie Situationen der Leistungsrückmeldung bzw. Rückgaben von Prüfungsergebnissen). Entgegen der intuitiven Annahme, dass Lern- und Leistungssituationen vorwiegend durch negatives emotionales Erleben geprägt sind, zeigte sich als Ergebnis, dass positive und negative Emotionen in etwa gleich häufig genannt wurden. Insbesondere Freude und Erleichterung wurden etwa ebenso häufig genannt wie Angst. Aufgrund der kleinen und spezifischen Stichprobe ist die Generalisierbarkeit dieser Befunde eingeschränkt. Interviews mit Studierenden ergaben jedoch vergleichbare Ergebnisse (Pekrun, 1998). In den letzten 15 Jahren wurden dementsprechend auch Emotionen jenseits der Angst in den Blick der pädagogisch-psychologischen Forschung genommen. Man ist sich heute einig, dass Emotionen eine zentrale Rolle für die Erklärung von Schülerreaktionen auf schulische Herausforderungen spielen. Zudem werden Emotionen als relevant für die Auslösung, Aufrechterhaltung oder Reduzierung von Anstrengung in Lern- und Leistungssituationen und damit als zentrale Prädiktoren von Lernleistungen angesehen (Schutz & Pekrun, 2007). Emotionen sind jedoch nicht nur im Kontext der unmittelbaren Vorhersage schulischen oder universitären Lern- und Leistungsverhaltens von Bedeutung. Angesichts der rasanten Veränderungen unserer modernen Welt ist lebenslanges Lernen unumgänglich geworden. Immer wieder wird man mit neuen, unbekannten Aufgaben konfrontiert und einmal erworbene Kompetenzen sind weniger als früher ein Garant für Lebenserfolg. Die Gefühle, die man mit Lernen und Leistung verbindet, und die mit ihnen verknüpfte Bereitschaft, sich wiederholt in Lernsituationen zu begeben, dürften daher über die gesamte Lebensspanne von Bedeutung sein. Neben der Vermittlung von Wissen und Kompetenz sollte es deshalb ein ebenso wichtiges Ziel von Unterricht sein, eine positive emotionale Einstellung gegenüber Lernen und Leistung zu erzeugen. Schließlich sind Emotionen, wie oben bereits erwähnt, auch wichtige Bestandteile des allgemeinen Wohlbefindens und der psychischen Gesundheit. Unabhängig von ihren Wirkungen auf Leistung verdienen sie damit Aufmerksamkeit in pädagogisch-psychologischen Kontexten (Hascher, 2004). Ist das emotionale Erleben eines Schülers von Angst, Ärger und Langeweile geprägt, ist davon auszugehen, dass sein allgemeines Wohlbefinden gering ist. Gelingt es hingegen Eltern und Schulen, bei Schülern die Freude am Lernen in den Mittelpunkt zu rücken, ist somit ihr gesamtes Wohlbefinden positiver ausgeprägt. Ohne dabei in „Spaß-“ oder „Kuschelpädagogik“ zu verfallen, gebietet eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Emotionen im Lern- und Leistungskontext, dass ein Augenmerk auf solche Aspekte des Wohlbefindens von Schülern gelegt wird. ### Exkurs: Langeweile Insbesondere Philosophen waren es, die sich intensive Gedanken zur Langeweile gemacht haben (z. B. Seneca, Arthur Schopenhauer, Søren Kierkegaard, Martin Heidegger) – Nietzsche nannte sie beispielsweise die „Windstille der Seele“. Empirisch ist Langeweile noch wenig erforscht. Im Kontext der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Langeweile zeigt sich ein definitorischer Minimalkonsens zumindest in zwei Aspekten: 1. Bei Langeweile handelt es sich um einen subjektiv als schwach negativ erlebten Gefühlszustand. 2. Langeweile ist durch ein subjektiv langsames Verstreichen der Zeit (Zeitdilatation) im Sinne der Wortbedeutung von „lange Weile“ geprägt. Was den ersten Punkt anbelangt, so deuten jedoch aktuelle Studien darauf hin, dass Langeweile in spezifischen Situationen durchaus auch als positiv erlebt werden kann, in manchen Fällen hingegen auch als sehr negativ. Es gibt erste Ansätze, statt „der“ Langeweile, die in der Regel eher unangenehm erlebt wird, verschiedene Langeweileformen zu unterscheiden (z. B. indifferente Langeweile als eine eher positiv und reaktante Langeweile als eine negativ erlebte Langeweileform; s. Götz & Frenzel, 2006; Götz, Frenzel, Hall, Nett, Pekrun & Lipnevich, 2014). Allerdings gibt es bisher kaum Belege für solche positiven Wirkungen. Vielmehr weisen Studien darauf hin, dass Langeweile vor allem negative Konsequenzen hat, wie beispielsweise deviantes Verhalten, Delinquenz, Abusus psychotroper Substanzen, Spielsucht, Übergewicht und schwache Leistungen (Harris, 2000; Vodanovich & Kass, 1990). Was die Wirkungen von Langeweile anbelangt, so können diese durchaus positiv sein, z. B. im Hinblick auf die Initiierung kreativer Prozesse im Sinne von Inkubationsphasen. Allerdings weisen Studien darauf hin, dass sie vor allem mit einer Vielzahl negativer Aspekte einhergeht, wie beispielsweise deviantem Verhalten, Delinquenz, Abusus psychotroper Substanzen, Spielsucht, Übergewicht und schwachen Leistungen (Harris, 2000; Vodanovich & Kass, 1990). Im pädagogisch-psychologischen Kontext stellt Langeweile unter dem Gesichtspunkt der ineffektiven Nutzung von „Humanressourcen“ ein untersuchungsrelevantes Konstrukt dar – Studien deuten darauf hin, dass sich Schüler je nach Fach sehr häufig im Unterricht langweilen (z. B. Nett, Götz & Hall, 2011; Larson & Richards, 1991) und dass dies negative Folgen für Aufmerksamkeit, Lernmotivation, die Nutzung von Lernstrategien sowie resultierende Schulund Studienleistungen hat (vgl. Pekrun, Goetz, Daniels, Stupnisky & Perry, 2010). In einer Interviewstudie von Götz, Frenzel und Haag (2006) wurden als Ursachen von Langeweile im Unterricht folgende Aspekte von Schülern der 9. Jahrgangsstufe genannt (beginnend mit dem am häufigsten Genannten): 1. Unterrichtsgestaltung (z. B. Abwechslungsarmut) 2. spezifische Unterrichtsthemen und -inhalte (z. B. „trockene“ Themen) 3. Ursachen in der Person des Schülers (z. B. Verständnisprobleme) oder des Lehrers (z. B. „ausgepowerte“ Lehrer) sowie wahrgenommene Eigenschaften des Fachs (z. B. Sinnlosigkeit des Fachs). Eine weitere Studie (Götz, Frenzel & Pekrun, 2007a; 9. Jahrgangsstufe) deutet darauf hin, dass Schüler beim Erleben von Langeweile im Unterricht fast ausschließlich meidensorientierte, d. h. nicht lernund leistungsförderliche Strategien zu ihrer Bewältigung einsetzten (mentale oder behaviorale Flucht). Viele Schüler geben an, die Langeweile einfach zu „ertragen“. Langeweile kann wohl insgesamt als eine „tückische“ Emotion bezeichnet werden: Obwohl sie mit zahlreichen negativen Konsequenzen einhergeht, scheint sie, wenn überhaupt, meist nicht lern- und leistungsförderlich reguliert zu werden (Nett, Götz & Daniels, 2010), da sie von Schülern als relativ schwach negativ erlebt wird und in subjektiv als unwichtig eingestuften Situationen auftritt. **Prüfungsangst** * Affektives Erleben durch Aufgeregtheit, Nervosität, Unsicherheitsgefühle geprägt * Körperliche Symptome: Zittern, Schweißausbrüche, Übelkeit --> “Emotionality-Komponente” der Prüfungsangst * Permanente Sorgen um eigene Fähigkeitsmängel: schon während des Lernens, aber auch in der Prüfung: Gedanken kreisen um Versagen und Konsequenzen eines möglichen Misserfolgs --> “Worry-Komponente” der Prüfungsangst * Prüfungsangst geht mit Flucht- und Vermeidungstendenzen bezüglich Lern- und Prüfungssituationen einher --> In unserer modernen Gesellschaft nicht Erfolg bringend --> im Gegenteil: nicht zu lernen mindert Erfolgsaussichten und an einer Prüfung nicht teilzunehmen, bedeutet, sie nicht zu bestehen **Erfassung von Prüfungsangst** * AFS (noch genauer definieren --> evtl. Teil davon als Experiment?) * DAI (“) **Prüfungsangst - Möglichkeiten zur Intervention** * Beispiele für emotionsorientierte Therapieformen: verhaltenstherapeutische Verfahren der Angstinduktion (Expositionsbehandlung, systematische Desensibilisierung) kombiniert mit Biofeedbackverfahren und Entspannungstrainings (z. B. progressive Muskelentspannung) (evtl. Entspannungstraining als Experiment?) * Kognitive Ansätze zur Reduktion der Prüfungsangst: zielen darauf, die angstimmanenten irrationalen, »katastrophisierenden« Gedankeninhalte mit erfolgsorientierten Gedankeninhalten zu ersetzen (Selbstinstruktion) (Beispiel?) * Strategietraining: mit dem Klienten werden kognitive und metakognitive Selbstregulations- und Lernstrategien eingeübt (Setzen realistischer Ziele, Planung und Überwachung), um die Qualität der inhaltlichen Vorbereitung auf die Prüfung und das Vorgehen in der Prüfung zu optimieren **Prüfungsangst - Wirkung auf Leistung** * Vgl. S. 232