# Methodensammlung phwa.ch/methoden Methoden aus den Fachdidaktik-Seminaren von Philippe Wampfler Kontakt: phwampfler@gmail.com Stand: 6. September 2021 Wenn nicht anders angegeben stehen alle Inhalte unter Lizenz [CC-BY 4.0](https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/deed.de), d.h. Sie dürfen frei kopiert werden, wenn die Quelle angegeben wird. Eine [pdf-Version zum Download](https://t.co/cFdBYD2q4Y?amp=1) (Stand Mai 2021, teilweise unvollständig und fehlerhaft). ![](https://i.imgur.com/IPaErTL.jpg) *Deutschunterricht Kantonsschule Enge, 2021* --- # Methode 0: Frontalunterricht ![](https://i.imgur.com/tzvbhUU.png) ## Gudjons »integriertes Konzept« Das oben abgebildete Kästchen aus »Frontalunterricht neu entdeckt« (3. Auflage, 2011; S. 36) kann als Grundüberlegung für eine Renaissance des Frontalunterrichts betrachtet werden. Seine »relative« Funktion wird dabei bei Gudjons auch so verwendet, dass damit gar nicht mehr Frontalunterricht gemeint ist, sondern ein bestimmtes Kommunikationssetting. So bleibt von seiner These der Vorschlag, im Frontalunterricht didaktische Funktionen zu suchen. ## Die Gegenkonzeption Die SuS befinden sich grundsätzlich im Gruppenmodus, den sie sich nicht durch frontales Dozieren unterbrechen lassen möchten. Und das ist nichts Schlechtes, finde ich, ganz und gar nicht. Man muss diese Gruppenkräfte einfach intelligent wirken lassen. Diese Einsicht von einem Studenten [des Fachdidaktik-Moduls ](https://https://unterunduberricht.wordpress.com/2017/11/03/was-mich-auch-noch-beschaeftigt/)steht der Behauptung von Gudjons entgegen: Kooperative Lernformen setzen Kräfte frei und geben den Lernenden die Verantwortung für ihre Lernprozesse, sie aktivieren und schaffen auch sozialen Zusammenhalt und Austausch. ## DOs Didaktisch gute Sequenzen im Frontalunterricht orientieren sich an folgenden Überlegungen: 1. Sie richten sich an einen relevanten Anteil der Klasse. Sie regen schwächere und stärkere Schülerinnen und Schüler gleichzeitig an. 2. Gute Formen sind a) Sammeln von Fragen, Beobachtungen oder Thesen im Klassengespräch b) Schwierige Übungssequenzen, bei denen die Lernenden vom Vorgehen anderer profitieren können c) kontroverse Diskussionen, an denen sich viele Mitglieder der Klasse beteiligen 3. Gute Unterrichtsgespräche orientieren sich auch am Ideal des »Accountable Talk«, mit dem Überlegungen, Fragen, Argumente, Lernschritte und Perspektiven einzelner Mitglieder der Klasse gehört, hinterfragt, beantwortet und vertieft werden. Die Lehrperson moderiert diese Gespräche und lebt dabei eine Haltung vor. Cécile Ledergerber beschreibt es im Buch »Unterrichtskommunikation« (2015, S. 48): > Die Basıs einer reichhaltigen Diskussionskultur im Sinne des Accountable Talks sind die Fragen und Antworten: Anstelle einer traditionellen Lehrgesprächssequenz werden Fragen auf die Antworten der Schülerinnen und Schüler gestellt, um die Antworten besser zu verstehe,. um die Lernenden zum Argumentieren, Begründen und Erklären zu bringen, ähnlich den beschriebenen Merkmalen der kognitiven Aktivierung. Die Antworten der Lernenden werden so zu einer Ressource für den Unterricht. „In accountable talk, the answer matters no less than the question. and the oral springboard for leamıng is what we do with what children say. Children's words are a precious teaching resource.” (Alexander. 2004) 4. Accountable Talk setzt sogenannte »Moves« ein, z.B. Zeit geben um nachzudenken, Kanäle offen halten (»haben das alle gehört«), verknüpfen (»kann das jemand wiederholen«, »wer möchte das ergänzen?«), nachprüfen und klären (»habe ich das richtig verstanden?«), Genauigkeit einfordern (»was meinen Sie, wenn Sie sagen, dass…«), Perspektiven vergleichen, Belege und Fachbegriffe einfordern (im Deutschunterricht häufig Textstellen), Begründungen zur Entfaltung bringen. 5. In Lehrvorträgen oder Vorführungen von Praktiken (Interpretation eines Gedichts, vgl. »[Der Lehrer als Meisterleser«](https://fd.phwa.ch/wordpress/wp-content/uploads/2014/10/Willenberg-Der-Lehrer-als-Meisterleser.pdf) liefern Lehrpersonen für Klassen Input. Im Idealfall wird das klar deklariert, es ist für die Klassen klar, wie ihre Aktivitäten aussehen sollen und die Input-Phasen sind beschränkt (10 Minuten). ## DON'Ts Folgende Fallen gilt es hingegen zu vermeiden: 1. »Fragend-entwickelnder« Frontalunterricht gestaltet ein Klassengespräch gemäß einem festgelegten Ablauf und nutzt Beiträge von Lernenden an Bausteine, die in eine vorgefertigte Lernmauer eingepasst werden. 2. Doppelung oder Redundanz: In der Frontalphase wird wiederholt, was Lernende individuell oder kooperativ erarbeitet haben. Dadurch verschwindet die Motivation, diese Lernphasen produktiv zu nutzen (»er/sie sagt es uns später ohnehin«). ## Der »interpretative Schmuggel« Die Lehrperson formuliert eine Antwort einer Schülerin oder eines Schülers so, dass sie eine weiterführende Kernidee ausdrückt. Status: Trick, den man dosiert einsetzen darf. # Methode 1: Gruppenarbeiten auswerten ![](https://i.imgur.com/dJ6kay8.png) Bild: Greta Sedlmayr, cargocollective.com/gretasedlmayr CC-BY-NC-ND ## Was Gruppenarbeiten nicht bewirken dürfen 1. Den Eindruck, alleine einen wirksameren Lernprozess durchlaufen zu können. 2. Zwang, mit Menschen zusammenzuarbeiten, mit denen kein Verständnis möglich ist. 3. Redundanz – mehrere Personen teilen einander das mit, was andere schon herausgefunden haben. ## Was bedeutet das für die Aufgabenstellung? Die Gruppenarbeit muss von einem Auftrag ausgehen, bei dem mehrere Personen nötig sind, die jeweils Arbeitsschritte übernehmen oder Perspektiven einbringen. So gelangt jede Gruppe zu einem Ergebnis, das für andere Lernende interessant ist und in ihren Lernprozess integriert werden kann. ## Beispiele 1. Placemat (vgl. diese Beschreibung der [Methode](https://fd.phwa.ch/wordpress/wp-content/uploads/2014/10/Placemat-Uni-Ko%CC%88ln.pdf)). 2. Inszenierung/Standbild zu verschiedenen Szenen aus einem literarischen Text. 3. Recherche zu unterschiedlichen Aspekten in der Gruppe, danach Formulierung einer These oder eines Interpretationsansatzes. 4. Visualisierung von Konzepten, z.B. als Sketchnote. 5. Gruppenpuzzle. Basiert auf der Vorstellung, dass sich ein Thema in Aspekte (oder ein Text in Teile) gliedern lässt. ![](https://i.imgur.com/N1It8YT.png) ## Woraus muss bei der Auswertung geachtet werden? 1. Kein Zeitdruck: Gruppen müssen ihre Erkenntnisse und Fragen ruhig darlegen können. 2. Die Rolle der Gruppe und die Rolle des Publikums muss geklärt sein, alle können Verantwortung in ihrer Rolle übernehmen. 3. Wiederholungen werden vermieden, niemand wird in Situation gebracht, dasselbe sagen zu müssen, was schon jemand gesagt hat. 4. Die Erkenntnisse werden dokumentiert und können in Notizen übernommen werden. Ideen dazu: a) Arbeit mit Visualizer oder Plakaten b) digitale Dokumentation auf Etherpads, OneNote oder Padlet 5. Der Lernprozess schließt an die Gruppenarbeit an, der Unterricht ist über die Auswertung hinaus weitergedacht. # Methode 2: Dialogische Lernformen ![](https://i.imgur.com/Ly5pVPr.png) ## Das Grundproblem: Woher kommt das Wissen? Peter Gallin und Urs Ruf haben die Idee des dialogischen Lernens an der Uni Zürich entwickelt. In ihrem Grundlagenwerk *Dialogisches Lernen in Sprache und Mathematik* schreiben sie (Bd. 2, S. 96): > In der Schule treffen Menschen, die etwas wissen, auf Menschen, die das, was die Wissenden wissen, noch nicht wissen. Das Wissen der Wissenden ist nicht nur das Ziel, das die Nichtwissenden zu erreichen haben, sondern meist auch die Norm, an der sie laufend gemessen werden. Und hier passiert das Unglück. Weil die Wissenden in der Regel nicht die Produzenten des Wissens sind, das sie verwalten, sondern bloß dessen Vermittler, erscheint Nichtwissen als Makel. Fehlt einer Lehrkraft die Erfahrung des Produzierens – ist sie also immer nur Lehrende und nie Forschende –, so ist sie auch nicht in der Lage, einen Lernprozess kompetent zu begleiten und zu beurteilen. Sie misst dann alles, was die Schüler sagen und tun, an dem, was sie sagen und tun müssten, wenn sie schon wüssten, was es zu wissen gibt. Und was es zu wissen gibt, ist in den Lehrplänen und Lehrbüchern verbindlich festgehalten. Lehrkräfte, die ihr Wissen immer nur aus Lehrbüchern beziehen und sich nie persönlich in ihre Stoffe vertiefen, um sie aus eigener Kraft und in eigener Verantwortung zu durchdringen, haben nur eine sehr einseitige Vorstellung vom Wissen. Sie kennen bloß seine glatte Oberfläche, nicht aber sein eigenwilliges Innenleben. Sie wissen nicht, woher das Wissen kommt und wohin es strebt, sie wissen nur, was jetzt gerade gilt. Und das reicht nicht aus für den Lehrerberuf. ## Die Lösung: Dialogisches Lernen Die Lösung von Ruf und Gallin besteht in einer einfachen Methode, bestehend aus vier Schritten: 1. Die Lehrperson formuliert einen **Auftrag**, der ein Problem enthält, das Lernende an ihre Grenzen bringt und sie dazu animiert, Gelerntes anzuwenden und eigene Zugänge zu erproben. Ein guter Auftrag lässt sich nicht ausschlie lich mit den bereits zur Verfügung stehenden Mitteln bearbeiten. 2. Die Lernenden reagieren in ihrem **Lernjournal** auf den Auftrag. Dabei nehmen sie eine singuläre Standortbestimmung vor, d.h. sie erklären der Lehrperson, wie sie den Auftrag verstehen und welche Erkenntnisse sie dazu gewonnen haben. 3. Die Lehrperson gibt darauf eine **Rückmeldung** (und bewertet den Lernjournal-Eintrag möglicherweise). 4. Aus den singulären Standortbestimmungen gewinnt die Lehrperson **Kernideen**, welche die Grundlage für einen weiteren Auftrag darstellen. Diese Systematik muss nicht den ganzen Unterricht prägen, sondern kann in Lernsequenzen eingesetzt werden, um ein Grundproblem zu lösen: Für Lehrpersonen ist es oft schwierig, die Perspektive und den Wissensaufbau von Lernenden zu verstehen. ## Beispiele aus dem Deutschunterricht * Ist diese Erzählung spannend? Begründe das, indem du eine Theorie entwickelst, die erklärt, was Spannung eigentlich ist. * Du schreibst eine Theaterszene, in der sich eine schüchterne Person traut, jemanden anzusprechen, an dem sie interessiert ist. Was ist ihr erster Satz? Erkläre, wie du ihn gefunden hast. * Wenn ein Nomen aus dem Englischen in die deutsche Sprache übernommen wird (z.B. Influencer oder Fail) – woher wissen wir dann, zu welchem Genus es gehört? * Oft wird gesagt, Zürichdeutsch habe keine Grammatik. Dennoch gibt es doch falsche Sätze oder Ausdrücke. Hat Zürichdeutsch vielleicht doch eine Grammatik? ![](https://i.imgur.com/zbKj8sI.png) <sub>Literaturhinweis und Quelle dieses Bildes: Badr/Ruf: [Dialogischer Unterricht als pädagogisches Versuchshandeln](https://fd.phwa.ch/wordpress/wp-content/uploads/2014/10/Ruf-Badr-Dialogischer-Unterricht.pdf), 2005</sub> # Methode 3: Unterrichtsgespräche - eine Checkliste ![](https://i.imgur.com/SyzAzZX.jpg) <sub>Richard Wells, EduWells.com</sub> ## Planung von Unterrichtsgesprächen Lehrpersonen sollten sich folgende Fragen stellen, bevor sie Unterrichtsgespräche durchführen: 1. Welches Ziel möchte ich mit dem Unterrichtsgespräch erreichen? 2. Welche Rolle soll ich im Gespräch einnehmen? 3. Welche alternativen Sozialformen bieten sich für die Erreichung dieses Zieles an? 4. Warum wähle ich sie nicht? 5. Wie maximiere ich die Aktivität von Lernenden im Unterrichtsgespräch? 6. Wie gehe ich mit passiven Schülerinnen und Schülern um? 7. Wie gehe ich mit abgelenkten Schülerinnen und Schülern um? 8. Wie gehe ich mit störenden Schülerinnen und Schülern um? 9. Wann beende ich das Unterrichtsgespräch (oder breche es ab)? 10. Wie dokumentiere ich und wie dokumentiert die Klasse die Erkenntnisse aus dem Gespräch? # Methode 4: Arbeitsblätter und Skripte gestalten ![](https://i.imgur.com/lCkvLwD.png) <sub>Yomb May: Abiturwissen Deutsch, Reclam</sub> ## Wann kommen Arbeitsblätter und Skripte zum Einsatz? Lehrbücher haben den Vorzug, größere Zusammenhänge abzubilden. Sie erlauben Schülerinnen und Schülern eine Orientierung, die im notwendigerweise selektiven Unterricht unter Umständen nicht möglich ist. Andererseits kann es frustrierend sein, nur Auszüge aus Büchern im Unterricht zu behandeln. Hier kommen dann Arbeitsblätter und Skripte zum Einsatz. ## Grundprinzipien der Gestaltung Bei Materialien, die ihr für Lernende gestaltet, ist es wichtig, von ihrer Nutzung auszugehen. Wo würden sie etwas handschriftlich eintragen? Was muss für sie vormarkiert sein, wo wollten sie selber Wichtiges hervorheben können? Daraus leiten sich die folgenden Prinzipien ab: 1. Großzügiges Layout wählen: Breite Ränder, vergrößerte Zeilen- und Absatzabstände. Keine Angst vor Leerräumen. 2. Auch bei der Gestaltung didaktisch reduzieren: Übersichtliche Darstellungsformen, nur die Informationen, die für Lernaufgaben auch tatsächlich gebraucht werden. Arbeitsblätter brauchen keine überladenen Kopf- oder Fußzeilen. 3. Dennoch Wichtiges betonen: Durch Layoutfunktionen, Zwischentitel, Randbemerkungen oder farbige Hervorhebung, wenn ihr Farbkopien abgebt. 4. Orientierung ermöglichen: Wichtig sind Seitenzahlen, damit deutlich wird, welche Blätter zusammenhängen. Dafür bietet sich auch der Druck von Dossiers an – auch das Kopieren auf farbige Blätter bei wichtigen Anleitungen hilft. 5. Auch visuell kommunizieren: Bilder in eure Dokumente einfügen, Zusammenhänge schematisch aufzeigen, nicht nur verbal erklären. (Lektüretipp: Krogerus/Tschäppeler: [Das Kommunikationsbuch](https://keinundaber.ch/de/literary-work/das-kommunikationsbuch/)). 6. Entscheiden, ob Schülerinnen oder Schüler Aufgaben direkt auf euren Vorlagen lösen sollen. Wenn ja, Platz für große Handschriften lassen – nicht vom Maschinengeschriebenen auf die Größe der Lücken schließen. ## Quellennachweise Wie genau müssen Quellen angegeben werden? Hier gibt es eine große Bandbreite unter den Lehrerinnen und Lehrern: Einige geben keine Quellen an, andere tun das wissenschaftlich. Für mich bietet sich ein Mittelweg an: Ich gebe Quellen an, aber in einer vereinfachten Form (Link, teilweise Autor*in, Titel, Erscheinungsjahr). Das tue ich auch, wenn ich von anderen Lehrpersonen etwas übernehme. ## Einen eigenen Stil finden [Ich habe meine Layouts immer wieder verändert](https://schulesocialmedia.com/2019/02/26/amateur-hour-das-layout-meiner-arbeitsblaetter-und-praesentationen/). Aus meiner Sicht lohnt es sich, einen eigenen Stil zu suchen und zu finden. Blätter und Skripte so zu gestalten, dass die Schüler*innen wissen, von dem die Blätter sind. Mit Formatvorlagen und Dokumentvorlagen könnt ihr dann sehr schnell neue Dokumente erzeugen. # Methode 5: Funktion von Arbeitsblättern ## Aufträge Nach Ruf und Gallin muss ein guter Auftrag folgende Eigenschaften erfüllen: 1. er bietet unterschiedliche Zugänge auf unterschiedlichen Leistungsniveaus; auch schwächere Schülerinnen und Schüler müssen sich zu einer Produktion herausgefordert fühlen; 2. er bietet eine Herausforderung für Könner (»Rampe«), die es den Besten und Schnellsten erlaubt, ihre Möglichkeiten auszuspielen bzw. an ihre Grenzen zu stoße 3. er ermöglicht verschiedene Lösungen und fordert so zu kreativer Eigentätigkeit auf. Ein Arbeitsblatt ist in meinem Verständnis ein erweiterter Auftrag, d.h. es schafft verschiedene Zugänge zu einem Thema; erlaubt allen Schülerinnen und Schülern, sich aktiv mit den Fragestellungen auseinanderzusetzen. ## Der Aufbau eines Arbeitsblatts ![](https://i.imgur.com/wdXyhSj.png) 1. Doppelseitig bedrucktes A4-Blatt, allenfalls A3-Blatt mit 4 A4-Seiten. 2. Lockeres Layout. 3. Wenn möglich, Bilder einbauen. 4. Am Anfang einfache Zugänge ermöglichen – es sollte möglich sein, direkt mit der Arbeit zu beginnen, vorwärtszukommen. 5. Gegen den Schluss dürfen schwierigere, offenere Fragen stehen. Im abgebildeten Beispiel (unten) steht nicht einmal eine Frage zum philosophischen Kontext der »Lichtung« bei Heidegger. 6. Einzel- und Gruppenarbeit kombinieren. Sinnvoll ist es, Aufgaben, die einzeln gelöst werden, in Gruppen auszuwerten. ![](https://i.imgur.com/nTqA7pV.png) ## Auswertung Ein Arbeitsblatt mündet im Idealfall in ein anregendes Unterrichtsgespräch, in dem Fragen aufgegriffen und aus anderen Perspektiven diskutiert werden. Im schlechteren Fall wird es korrigiert – alles, was eindeutig lösbar ist, korrigieren am Gymnasium die Schüler*innen selber. # Methode 6: Meisterleser*in ![](https://i.imgur.com/OdUvYRx.png) ## Willenbergs Ansatz [In einem Buchkapitel hat Heiner Willenberg 2007](https://fd.phwa.ch/wordpress/wp-content/uploads/2014/10/Willenberg-Der-Lehrer-als-Meisterleser.pdf) die Methode »Der Lehrer als Meisterleser« eingeführt. Zentral ist dabei, dass eine Lehrperson 1. »mit der Methode des Lauten Denkens [zeigt,] 2. wie [sie] bestimmte Textprobleme 3. schrittweise löst.« Mit der Begrifflichkeit nimmt Willenberg Bezug auf die Ausbildung im 19. Jahrhundert, in welcher die Meister-Lehrling-Beziehung einen hohen Stellenwert hatte. ## Drei Elemente: Lautes Denken – Textprobleme – schrittweises Lösen Grundsätzlich geht es bei der Methode darum, strategische Verfahren für eine gezielte Lektüre vorzustellen und einzuüben. Als Beispiel: Jeden Abschnitt eines Sachtextes mit einem Wort zusammenfassen, um später einen Überblick zu erhalten. Dieses Verfahren lässt sich auch schriftlich formulieren, beispielsweise auf einem Blatt: »Tipps für den Umgang mit komplexen Sachtexten.« Beim Einüben verwendet die Lehrperson nun zuerst etwas, was Willenberg als »Öffnen von Denkprozessen« bezeichnet. Das hat mehrere Funktionen: - Zunächst zeigt sich hier, wie ein Verfahren überhaupt konkret funktioniert. Es veranschaulicht das, was auf dem Blatt schon steht. - Darüber hinaus führt die Lehrperson auch implizite Schritte vor, die auf dem Blatt möglicherweise nicht stehen. Auch wenn klar ist, dass ein Wort einen Abschnitt zusammenfassen soll, ist möglicherweise unklar, wie dieses Wort gewählt wird. - Wichtig ist auch zu erfahren, dass auch erfahrene Leserinnen und Leser Zeit brauchen, um einen Text zu lesen, und mit Problemen genauso ringen wie Schülerinnen und Schüler. Es ist ganz wichtig, auch »unvollständige Muster« vorzuführen, also etwa einen Gedanken abzuschließen oder erst mal provisorisch darzustellen. ## Was sind Textprobleme? Diese Probleme befinden sich in der »Zone proximaler Entwicklung« (Wygotski) von lesenden Schülerinnnen und Schülern, d.h es handelt sich um Schwierigkeiten, die sie noch nicht bewältigen können – oder erst unter Anleitung von anderen. Die Wahl der Probleme muss also so erfolgen, dass weder eine Unterforderung noch eine Überforderung erfolgt. Schrittweise muss das Vorgehen der Lehrperson deshalb sein, dass deutlich wird, mit welchem Verfahren welche Arbeitsschritte ausgeführt werden. Es sollte vermieden werden, viele Probleme gleichzeitig zu lösen (also z.B. einen Text direkt zu interpretieren). Die verwendeten Schritte sollten die Schülerinnen und Schüler selber umsetzen können. ## Konkreter Ablauf und Vorbereitung 1. Textvorlage(n) auswählen. 2. Verfahren zum Umgang mit diesen Texten festlegen (evtl. auf einer Anleitung ausformulieren). 3. Meisterleser*in-Methode 10 Minuten vorführen. 4. Den Text weiter durchgehen, aber den Schülerinnen und Schülern Zeit gehen, für sich zu denken (oder zu zweit laut zu denken). 5. Den Rest des Textes als Einzel- oder Gruppenarbeit aufgeben (auch in der Lektion), so dass noch einmal geübt werden kann. # Methode 7: Literarisches Unterrichtsgespräch ![](https://i.imgur.com/dmBoC5C.png) <sub>Quelle: Steinbrenner/Wiprächtinger-Geppert, 2006</sub> ## Voraussetzungen Das Heidelberger Modell des literarischen Unterrichtsgesprächs eignet sich für eine erste Begegnung mit einem kurzen Text (1 A4-Seite). Meist werden Gedichte oder kurze Prosa-Texte so gelesen. Sinnvoll ist ein Gespräch in einer Gruppe von 8-10 Personen. ## Ziele und Kompetenzen Das literarische Unterichtsgespräch geht als Methode davon aus, dass Lehrpersonen und Schüler*innen dialogisch über literarische Texte sprechen, und die Wahrnehmung und Deutung aller Beteiligten einen Wert für alle anderen hat. Im Hintergrund steht die Themenzentrierte Interaktion von Ruth Cohn. Die Lehrerin oder der Lehrer strebt eine »partizipierende Leitung« an (ebd., S. 3): > Partizipierende Leitung heißt, dass sich die Lehrperson nicht nur in [ihrer] Funktion als Gesprächsleitung, sondern auch als Teilnehmende in das Gespräch einbringt. Steinbrenner und Wiprächtinger-Geppert formulieren neun Kompetenzen, welche die Schüler*innen mit dieser Methode erwerben und üben: 1. Sich in einem Wechselspiel auf den Text und auf persönliche Erfahrungen beziehen 2. Leseerfahrungen und Verstehensansätze in der eigenen Sprache formulieren 3. den literarischen Text und seine Sprache mimetisch nachvollziehen 4. die eigene Sprache an der Sprache des literarischen Textes erweitern und bilden 5. Sprache im Gespräch über einen literarischen Text thematisieren und reflektieren 6. Sich über unterschiedliche Lesarten verständigen 7. Irritation und Nicht-Verstehen artikulieren und aushalten 8. Gesprächskompetenzen entwickeln 9. an kultureller Praxis teilhaben ## Praktische Umsetzung Die Methode ist stärker eine Haltung denn ein konkretes Verfahren. Gleichwohl empfiehlt sich der auf der ersten Seite abgebildete Ablauf. Schülerinnen und Schüler sollten nicht unter Druck gesetzt werden, etwas zu sagen – schweigen ist erlaubt. Sie sollten jedoch Lust bekommen, ihre Sicht auf den Text einzubringen, auch wenn sie ihn nicht vollständig verstanden und erfasst haben. > Ziel des literarischen Unterrichtsgesprächs ist nicht eine stringente Interpretation, sondern das gemeinsame Suchen nach Sinnmöglichkeiten. Auch zum Schluss muss kein fertiges Produkt entstehen – entscheidend ist vielmehr, dass im Gespräch selbst unterschiedliche Bedeutungsmöglichkeiten und das gemeinsame Bemühen um den Text erfahrbar werden und die Schülerinnen und Schüler und der Text zur Sprache kommen. (ebd., S. 9) <sub>Basiert auf: Steinbrenner, Marcus und Wiprächtinger-Geppert, Maja (2006): Verstehen und Nicht-Verstehen im Gespräch. Das Heidelberger Modell des literarischen Unterrichtsgesprächs. In: Literatur im Unterricht 7(3), 2006, hier zitiert nach einer [Online-Version](https://fd.phwa.ch/wordpress/wp-content/uploads/2015/02/2010_3_steinbrenner_wipraechtiger.pdf).</sub> # Methode 8: Umfragen und Mentimeter ![](https://i.imgur.com/45NFiiN.png) ## Was nicht gemeint ist: Multiple Choice (Kahoot!) In einer Standardvariante wird Kahoot! (wie auch andere Tools) verwendet, um aus verschiedenen Antwortvorschlägen eine korrekte Lösung auszuwählen. ![](https://i.imgur.com/Mu4zyKo.png) <sub>Beispiel: Klett-Verlag. </sub> Das ist hier nicht gemeint: Vielmehr geht es darum, Wissen, Wahrnehmung und Einschätzungen einer Gruppe sichtbar zu machen, ein eigenes Urteil oder eine eigene Sicht mit Daten aus der ganzen Lerngruppe zu vergleichen. Das ist als Anregung für ein Gespräch oder eine vertiefte sprachliche Auseinandersetzung gedacht – während Kahoot! Sprache durch Knopfdruck ersetzt. <sub>Vgl. dazu [Kahoot im Deutschunterricht – eine didaktische Analyse](https://journals.ub.uni-koeln.de/index.php/midu/article/view/286) </sub> ## Ziele und Kompetenzen Mentimeter ist als Anregung gedacht, um Reflexionsprozesse auf mehreren Ebenen anzustoßen. Grundsätzlich geht es darum, dass Schülerinnen und Schüler ihre Sichtweisen und Interpretationen mit denen anderer vergleichen können und ihre Urteile überdenken, begründen, diskutieren lernen. Mentimeter ist mit dem Ja-/Nein-Spiel oder »4 Corners« vergleichbar: Dort positionieren sich alle im Raum (entweder indem sie sich auf die Ja- oder Nein-Seite stellen oder zu der Aussage, der sie am stärksten zustimmen), hier äußern sich alle anonym in einer App und sehen dann das Gesamtbild. Das räumliche Setting empfiehlt sich, wenn sichtbar sein soll, wer wie antwortet – Mentimeter dann, wenn das gerade nicht sichtbar sein soll. ## Didaktische Settings 1. Einschätzung von sprachlichen Äußerungen vergleichen. 2. Lektüreeindrücke sammeln. 3. Einstellungen vor argumentativen Auseinandersetzungen darstellen. 4. Stärke von Argumenten beurteilen. 5. Stilistische Wirkung von Passagen beurteilen. ## Mentimeter konkret ![](https://i.imgur.com/51JmXy9.png) Mentimeter funktioniert wie PowerPoint – es werden Folien aneinandergereiht. Dabei gibt es die Wahl zwischen verschiedenen interaktiven Formaten. Die Schülerinnen und Schüler beteiligen sich dabei via Smartphone (oder Laptop). Sie wählen dabei für sich die zutreffenden Optionen und auf dem Bild des Projektors erscheint die Gesamtsicht. Mentimeter funktioniert wie PowerPoint – es werden Folien aneinandergereiht. Dabei gibt es die Wahl zwischen verschiedenen interaktiven Formaten. Die Schülerinnen und Schüler beteiligen sich dabei via Smartphone (oder Laptop). Sie wählen dabei für sich die zutreffenden Optionen und auf dem Bild des Projektors erscheint die Gesamtsicht. ### Tipp Oft ist es sinnvoll, während der Bearbeitungsphase den Projektor auf »AV mute« zu schalten, damit sich niemand exponiert fühlt oder sich von den Resultaten der schnelleren Schüler*innen beeinflussen lässt. Mentimeter bietet eine entsprechende Funktion auch als Menu an. ## Beispiele: 1. [Wahrnehmungen sichtbar machen](https://schulesocialmedia.com/2019/09/20/wahrnehmungen-sichtbar-machen-die-umfrage-methode/) 2. [Der Einsatz von Mentimeter in der Lehre](https://schulesocialmedia.com/2019/12/03/der-einsatz-von-mentimeter-in-der-lehre/) 3. [Persönliche Auseinandersetzung mit einem Lerngegenstand](https://schulesocialmedia.com/2020/03/09/persoenliche-auseinandersetzung-mit-einem-lerngegenstand-und-vergleich-mit-mentimeter/) # Methode 9: Wirksame Lehrvorträge ## Mutig Lehrvorträge halten! Auch wenn zu lange Frontalphasen verpönt (und wirkungslos) sind: Gute und kurze Lehrvorträge sind ein sinnvolles didaktisches Werkzeug. Schüler*innen hören Lehrpersonen gerne zu, wenn sie Zusammenhänge lebendig und anschaulich erklären. Entscheidend ist ein Punkt: Lehrvorträge sollen nicht mit anderen Formen vermischt werden, sondern klar deklariert und in der Planung vorgesehen werden. Besonders problematisch ist es, Lehrvorträge als fragend-entwickelnden Unterricht zu gestalten. ## Mit oder ohne Folien? ![](https://i.imgur.com/mFS9z3k.png) Folien dürfen die Ausführungen nicht ersetzen. Sie sollen im Vortrag erklärt werden, Dinge veranschaulichen oder verdeutlichen, die anders nicht verdeutlicht werden können. Oft reicht dafür auch Wandtafel oder Visualizer. Bitte Bullet-Point-Präsentationen vermeiden! ## Merkmale eines guten Lehrvortrags 1. Zwischen 5 und 10 Minuten lang. 2. Haltung des Zeigens einnehmen, nicht des Belehrens: »Ich zeige Ihnen Zusammenhänge, in die ich mich eingearbeitet habe.« 3. Scaffolding verwenden: D.h. ein Gerüst geben, das zeigt, welche Aspekte der Lehrvortrag abdeckt und das während des Inputs Halt und Orientierung gibt (z.B. mit einer Grafik, einem Arbeitsblatt etc.) 4. Frei sprechen und das Tempo den Reaktionen der Klasse anpassen. 5. Immer wieder auf Visualisierungen verweisen und so eine gewisse Redundanz aufbauen, die sich nicht wiederholend anfühlt. 6. Storytelling-Elemente einbauen: Kleine Geschichten erzählen, Wissenswertes auch als Geschichte, als Rätsel etc. formulieren. (Bsp.: Literaturgeschichte als biografische Geschichte von Begegnungen erzählen.) 7. Realistische Vorstellungen haben, was die Schüler*innen mitnehmen. Leitlinie: Sie behalten 10% des Gesagten und erinnern sich am nächsten Tag noch an 10% davon – was ist also das Prozent des Gesagten, was allen bleiben soll? Das wiederholen und betonen. 8. Bei einem guten Lehrvortrag lacht die Klasse mindestens einmal – nicht über geplante Scherze, sondern über situativen, spontanen Humor. 9. Verschiedene Perspektiven eröffnen: »Man kann das so sehen, aber auch so…« ## Konkretes didaktisches Setting Schüler*innen sollten wissen, dass ein Lehrvortrag folgt und aufgefordert werden, ihn auf eine bestimmte Art und Weise aufzunehmen (z.B. Notizen zu machen, Informationen mitzunehmen). In einem Folgeauftrag sollen sie auf den Lehrvortrag reagieren können, ihn anwenden und verwerten können. Es sollte unbedingt möglich sein, Fragen zu stellen. ## Lehrvortrag oder Erklärvideo? Im Netz gibt es viele Erklärvideo, die Klassen zur Verfügung gestellt werden können. Es ist zudem recht einfach, eigene Erklärvideos aufzunehmen, z.B. mit der [Loom](https://www.loom.com/) oder [mmhmm](https://www.mmhmm.app/). Wer also Lehrvorträge im Unterricht halten will, sollte sich fragen: 1. Gibt es im Netz evtl. bessere Erklärvideos zum Thema, die ich vorführen könnte? 2. Sollte ich den Vortrag aufnehmen, damit ihn dich die Schüler*innen später noch einmal ansehen können? # Methode 10: Produktionsorientierter Literaturunterricht ![](https://mrschenk.files.wordpress.com/2018/11/img_1427.jpg) <sub>Blackout-Poetry zu Hesses Steppenwolf, Quelle [Christian Schenk](schoolofschenk.com/2018/11/27/sichtbar-machen-durch-schwarzen)</sub> ## Beschreibung und »Blackout-Poetry« Schreiben ist im Deutschunterricht auch eine Auseinandersetzung mit literarischen Vorlagen. Unter dem Paradigma des produktionsorientierten Literaturunterrichts entstanden in den letz-ten Jahrzehnten Vorschläge, wie Lernende in aktiver Auseinandersetzung mit Texten eigene Lernprodukte entwickeln können. Ein Beispiel dafür ist Blackout-Poetry: Durch das Schwärzen einer Seite eines Textes entsteht ein neuer Text, etwa ein kurzes Gedicht. Produktionsorientierter Literaturunterricht hat ein mehrfaches Ziel (Haas/Menzel/Spinner, 25): 1. »das Verstehen des Textes und die Aneignung von reflektierbaren Erschließungsverfah-ren« 2. »die Entwicklung der inneren Vorstellungskraft« 3. »Aufbau von Lesemotivation« Produktionsorientiertes Arbeiten vorbereiten und durchführen Die Haltung, sich Texte anzueignen und sie in eigenen kreativen Verfahren zu bearbeiten gehört zur Unterrichtskultur – d.h. sie wird gepflegt, entwickelt und kommt bei verschiedenartigen Lektüreformen zum Einsatz. Gleichwohl ist es sinnvoll, bei der Vorbereitung 1. Einen Text oder Auszug zu bestimmen, auf den sich dann ein produktiver Prozess bezieht oder beziehen wird. (Das kann gut auch ein ganzer Roman oder ein Kapitel sein, aber auch ein Gedicht, ein Songtext, ein Sachtext etc.). 2. Das Verfahren festzulegen und in einer ersten Übungsphase gemeinsam zu erproben. Eine wichtige Sicht darauf ist, dass Beschränkungen kreativ machen (können). Beschränkungen meint nicht, Rezepte vorzugeben und Lernende Schritt für Schritt arbeiten zu lassen – vielmehr geht es darum, ein bestimmtes Werkzeug kreativ einzusetzen (also z.B. das Verfahren, Wörter durchzustreichen, um einen neuen Text zu erzeugen). Bei der Durchführung sollten Lernende viele Freiheiten genießen, also genuin projektartig arbeiten. Das bedeutet dann aber auch, dass sie ihre Produkte zeigen und präsentieren sollen. ## Weitere Ideen für Produkte 1. Einen Text mit bestimmten formalen/inhaltlichen Vorgaben schreiben, z.B. andere Erzählhaltung, Zeit, Personenkonstellation, viel kürzer/länger etc. 2. Adaptionen von literarischen Texten gestalten (Zeichnung, Comic, Infografik, Film, Social-Media-Plattform etc.) 3. Technisch möglich sind auch Augmented-Reality-Apps: Beim Scannen einer Buchseite werden digitale Inhalte eingeblendet. ![](https://i.imgur.com/Z3kdLmu.jpg) <sub>[@klopstock_kantibaden](https://instagram.com/klopstock_kantibaden), Monika Stiller 2018</sub> <sub>Literatur:</sub> <sub>Tilman von Brand: Handlungs- und Produktionsorientierung im Literaturunterricht. Praxis Deutsch 276/2019. Haas/Menzel/Spinner: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht, Praxis Deutsch 71/1999. </sub> # Methode 11: Forschungsaufgaben ![](https://i.imgur.com/0A8QAkk.jpg) <sub>Quelle: https://twitter.com/tofuecken/status/1258284892183498752</sub> ## Vom Sprachpurismus zur deskriptiven Linguistik Gestärkt durch die Diglossie-Situation in der Schweiz dient Grammatik in der Volksschule oft dazu, Sprachnormen zu vermitteln. Am Gymnasium müssen die entsprechenden Kenntnisse ebenfalls aufgebaut (besonders am Langzeitgymnasium) und gefestigt werden (Kurzzeitgymnasium). Danach sollten sie aber so er-weitert werden, dass propädeutische linguistische Fragestellungen bearbeitet werden können. Das gelingt, wenn Sprachwandel beobachtet, beschrieben und erklärt wird. ## Ein Beispiel: »huere« <dl> (1) Ich han huere vel für die Prüefig glernt. <dd>(= Für diese Prüfung habe ich sehr viel gelernt.)</dd> (2) *Huere han ich für die Prüefig glernt. <dd>(= Für diese Prüfung habe ich sicher nicht gelernt.)</dd> </dl> Diese beiden Beispiele können Ansatzpunkt für eine Reihe von Forschungsfragen sein: - Wer verwendet (2)? Ist das grammatisch? Oder jugendsprachlich? Regional geprägt oder in der ganzen Deutschschweiz gebräuchlich? - Woher kommt das Wort »huere«? Volksetymologie vs. wissenschaftliche Etymologie. - Wie beschreiben wir die beiden Verwendungsweisen (etwa, um Menschen aus Deutsch-land zu erklären, was das Wort bedeutet und wie man es dialektal einsetzt.) - Ist das ein Prozess, der bei anderen verstärkenden umgangssprachlichen Adjekti-ven/Partikeln ebenfalls zu beobachten ist? (»fett«, »massiv«, »extrem«…) ## Forschungsaufgaben gestalten Damit Klassen produktiv mit Forschungsaufgaben umgehen können, braucht es einige Vorausset-zungen. Damit Klassen produktiv mit Forschungsaufgaben umgehen können, braucht es einige Vorausset-zungen. 1. Grammatikunterricht, der Phänomene befragt, statt Normen vermittelt. Entscheidend ist, Entwicklungen aufzuzeigen, Unsicherheiten und Zweifelfälle zu betonen, auf die Funktion grammatikalischer Merkmale einzugehen – zu zeigen, dass die richtig/falsch-Dichotomie eine Genese hat und nicht stabil ist. 2. Exemplarische Arbeit an Fragestellungen. Bei Grammatikthemen immer wieder Beispiele einbauen, bei denen diese Haltung gezeigt werden und eine Dynamik sichtbar wird. Hilfreich ist auch der Vergleich von Sprachen. 3. Exemplarische Arbeit an Fragestellungen. Bei Grammatikthemen immer wieder Beispiele einbauen, bei denen diese Haltung ge-zeigt werden und eine Dynamik sichtbar wird. 4. Grundlegende linguistische Methoden einführen. Korpusanalyse (über dwds.de z.B.), Befragung zu Grammatikalitätsurteilen, Erstellen und Prüfungen von wissenschaftlichen Hypothesen sind einige Methoden, die eingeführt und geübt werden könnten. 5. Projektarbeit. Fragestellungen entwickeln – Untersuchungen planen – Untersuchungen durchführen – Daten auswerten – Projekt dokumentieren – Projekt präsentieren. ## Unterrichtseinheit Material zu einer ausführlichen Unterrichtseinheit zur Grammatik des Schweizerdeutschen gibt es hier: https://unterricht.phwa.ch/grammatik-des-schweizerdeutschen/ # Methode 12: Präsentationen gestalten ![](https://i.imgur.com/ka5ibnt.png) <sub>Screenshot Philippe Wampfler, Bild stammt von Sofatutor</sub> ## Funktion von Folien Jöran Muuß-Merholz unterscheidet auf joeran.de/powerpoint-tohuwabohu drei Funktionen von Vortragsfolien: 1. Dokumentation des Vortrags 2. Visualisierung des Gesprochenen 3. Skript für Vortragende Diese Funktionen vermischen sich oft – auch im Unterricht. Für Muuß-Merholz ergibt sich daraus ein plausibler Schluss: > Folien dienen ausschließlich der Visualisierung des Vortrags. Die Dokumentation des Vortrags und das Skript des Vortragenden haben auf der Leinwand nichts verloren! Daran kann man sich im Unterricht gut orientieren. Hilfreich dürfte auch eine weitere Unterscheidung sein. ## Lehrvortrag, Erklärvideo oder Begleitung eines Unterrichtgesprächs? Neben der Funktion der Folien muss das Setting genauer betrachtet werden, in dem die Folien eingesetzt werden. Das lässt sich am folgenden Beispiel einer Folie zeigen: ![](https://i.imgur.com/cQee9pe.png) Diese Folie kann nicht allein stehen, weil nicht klar ist, welche Passage hier genau gezeigt wird, was in der Handschrift steht etc. In einem Lehrvortrag verweist die Lehrperson evtl. auf eine Passage im Dramentext – in einem Erklärvideo blendet sie den Text ein und liest ihn vor – und in einem Unterrichtsgespräch entschlüsselt die Klasse gemeinsam, was da stehen könnte. Das hat einen Einfluss auf die Gestaltung der Präsentation. Kurz gefasst gelten folgende Tipps: 1. Im Lehrvortrag Platz für mündliche Ausführungen lassen. 2. Im Erklärvideo Zusammenhänge auch redundant vor Augen führen, Bild und Text erzäh-len jeweils eine eigene, aufeinander bezogene Geschichte. 3. Im Unterrichtsgespräch müssen Darstellungen klare Ankerpunkte fürs Gespräch erlau-ben, aber den Fluss des Gesprächs nicht hemmen. ## Einige Hinweise zur Gestaltung von Präsentationen - Es gibt in Präsentationen beliebig viel Raum: Auf eine Folie gehört ein Gedanke oder eine Darstellung. - Bullet-Points erschweren das Denken und den Vortrag. Nur in Ausnahmefällen einsetzen. - Präsentationen sollen visualisieren. Bilder und Grafiken sind wichtig. - Präsentationen laufend im Unterricht entwickeln und über einen Link zur Verfügung stellen, wo immer die aktuelle Version abrufbar ist. - Präsentationen brauchen keine Kopf- und Fußzeilen. Eine Titelfolie reicht. - Schülerinnen und Schüler können einfach eigene Folien gestalten, die in eine Präsentation eingebunden werden können. # Methode 13: Liberating Structures ![](https://i.imgur.com/jLauiuR.jpg) <sub> Menu der Liberating Structures, Quelle: [liberatingstructures.de](https://liberatingstructures.de/liberating-structures-menue/)</sub> > I am constantly thinking about how I can create and frame the structural parameters so that participant conversations are focused and yet are allowed to expand and deepen. *Arvind Singhal über seine Seminare (zitiert in Lipmanowicz/McCandless 2013, S. 163)* ## Was sind Liberating Structures? Liberating Structures bezieht sich auf vier unterschiedliche Aspekte: 1. eine Sammlung von Methoden (vgl. Darstellung oben) 2. ein Verst ndnis von Prozessen 3. Selbstorganisation 4. eine kollbaborative Haltung Lipmanowicz und McCandless betonen, ihre Methode helfe Schülerinnen und Schülern zu verstehen, wie sie interagieren, arbeiten und kollaborieren können (ebd., S. 63). ## Wie funktionieren Liberating Structures? Die 33 Methoden, welche den Liberating-Structures-Pool ausmachen, verteilen die Kontrolle über eine Sitzung an alle Teilnehmenden und erlauben ihnen mitzubestimmen, wie die weitere Arbeit aussieht. Ein Beispiel kann, das verdeutlichen. Es heißt **1-2-4-all**: 1. Am Anfang steht eine Herausforderung, ein Problem oder eine Frage. (Wichtig sind bei Ausgangspunkte, bei denen unterschiedliche Perspektiven hilfreich sind, es darf nicht eine klare Lösung geben, die Teilnehmende m glicherweise schon kennen.) Nehmen wir an, es geht in dieser Sequenz um ein neues Unterrichtsthema, das mit einer Folie oder einem Handout vorgestellt wird. 2. Zuerst arbeiten alle Lernenden alleine, eine Minute lang. Sie überlegen sich, was sie an diesem Thema interessant finden. (Eine zentrale Einsicht von Liberating Structures besteht darin, dass stilles Nachdenken in Lernstrukturen untergebracht werden muss.) 3. Zwei Minuten lang tauschen sich dann die Lernenden zu zweit darüber aus. 4. Darauf diskutieren sie vier Minuten lang in Vierergruppen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Aspekten, die sie interessieren. 5. Im Plenum stellt jede Gruppe dann eine Idee vor, die sie bemerkenswert fand (5 Min.) Die Zeiten sollten möglichst strikt eingehalten werden – wenn die Lerngruppen mehr Zeit brauchen, ist eine zweite Runde sinnvoller als eine Verl ngerung der Phasen. ## Liberating Structures und Videokonferenzen Liberating Structures ist ein didaktischer Zugang zu Videokonferenzen, der sie als wesentliches Element für das Lernen und den Austausch von Lernenden versteht. Liberating Structures gehen über die spezifische mediale Affordanz von Videokonferenzen hinaus und schaffen einen Rahmen für eine Lernkultur, in der es selbstverständlich ist, didaktisch sinnvolle Formen der digitalen Interaktion einzusetzen. Liberating Structures führt zu einer Balance zwischen Kontrolle und Struktur: Nicht zu viel Kontrolle, aber dennoch genügend Struktur. ## Die Haltung hinter Liberating Structures Liberating Structures bezeichnen einen emanzipatorischen Ansatz, der Lernende befähigt, mit den Strukturen selbstbestimmt und demokratisch über Methoden, Didaktik und Lernen nachzudenken. Der Talking Stick, der in mehreren Liberating-Structures-Settings eine Rolle spielt, illustriert das: Wer ein Objekt in der Hand h lt, darf sprechen und gibt das Rederecht dann weiter. So wird deutlich, dass alle eine Verantwortung für das Rederecht haben und es gemeinsam verwaltet wird – im Gegensatz zu Schulsettings, in denen die Lehrkraft bestimmt, wer wie lange reden darf. Liberating Structures sind oft so gestaltet, dass es wichtig ist, von allen zu hören, alle reden zu lassen, allen zuzuhören. <sub> Lipmanowicz, Henri und McCandless, Keith (2013): The Surprising Power of Liberating Structures: Simple Rules to Unleash A Culture of Innovation. Seattle WA: Liberating Structures Press. https://www.liberatingstructures.com/ </sub> # Methode 14: Think-Pair-Share ![](https://i.imgur.com/56EJavD.png) <sub> Sketchnote von [@lern_stoff](https://instagram.com/lern_stoff) </sub> ## Kooperatives Lernen Think-Pair-Share ist ein Grundmodell des kooperativen Lernens. Es bezieht Austausch- und Kommunikationsprozesse in den Lernprozess ein, um lernen metakognitiv bewusster zu machen und Lerninhalte klarer analysieren zu können. ## Die Phasen 1. **Think** Ausgehend von einer Frage oder einem Problem erhalten die Lernenden Zeit, sich Gedanken dazu zu machen. Sie können Notizen anlegen. Beispiel: ‚Die Katze springt [auf den Tisch].‘ ‚Ich schreibe die Karte [auf dem Tisch].‘  Was unterscheidet die beiden markierten Satzglieder? 2. **Pair** Die Schüler*innen tauschen sich zu zweit aus. Wenn individuelle Aufgaben verteilt wurden, erklären sie sich jetzt unterschiedliche Aufgabenstellungen. Dazu legen sie wiederum Notizen an oder überarbeiten und ergänzen die eigenen Notizen. 3. **Share** In Gruppen werden die Ergebnisse so aufbereitet, dass sie mit der Klasse geteilt werden können (auf einem Plakat, mit einer Folie, einer Sketchnote für den Visualizer, einem Kurzvortrag, einer Infografik etc.). # Methode 15: Hausaufgaben auswerten Die Problemstellung Ein Klasse hat Hausaufgaben erledigt. Wie muss die anschließende Lernphase gestaltet werden, in der 1. Engagement gewürdigt wird 2. eine Kontrolle der Lernschritte ermöglicht wird (Fehlerkorrektur, Bestätigung) 3. Redundanz vermieden wird 4. individualisiertes Lernen möglich ist 5. Lehrpersonen nicht durch Korrekturen überlastet werden? Lösungsvorschläge Es ist sicher sinnvoll zu variieren beim Feedback auf Hausaufgaben. Auf der zweiten Seite finden sich Vorschläge, wie sinnvoll mit Hausaufgaben umgegangen werden könnte. Es empfiehlt sich auch, mit Schüler*innen immer wieder darüber zu sprechen, was für Sie sinnvoll erscheint. - Musterlösungen zur Verfügung stellen (auch als Sprachnachricht oder Video denkbar) - exemplarisches Feedback geben: einzelne Arbeiten genau anschauen (immer wieder abwechseln dabei) und der Klasse daran ein paar wichtige Aspekte zeigen - Peer-Feedback: die Lernenden kontrollieren die HA gegenseitig - Fragerunden: Was war unklar, was war schwierig? - Arbeitsauftrag, der die Erledigung der HA voraussetzt - Gruppen bilden und dort Ergebnisse diskutieren und vergleichen (denkbar sind auch Ni-veau-Gruppen: Wer fand‘s einfach? Wer fand es schwierig? Wer fand es mittelschwer?) - digitales Quiz zu den Hausaufgaben (Kahoot, Mentimeter) - schnelle Runde: alle stellen der Reihe nach ein Ergebnis vor (beschleunigen, wenn alles problemlos gelöst wurde) # Methode 16: Literarische Texte lesen lassen ## Die Problemstellung Didaktisch gesehen geht es um die Frage, wie man einen Text im Unterricht zum Klingen bringt. Aus der Perspektive der Lernenden steht ein anderes Problem im Mittelpunkt: Wie können sie lernen, einen anspruchsvollen literarischen Text ansprechend zu lesen? ## Didaktische Lösungsvorschläge Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, wie man vorgehen kann: 1. Der Text wird vorgespielt (Hörbuch, Lyrikline.org etc.). 2. Die Lehrperson liest den Text vor. 3. Schüler*innen lesen den Text vor. Spontan vorlesen lassen ist für eine erste Begegnung mit einem anspruchsvollen literarischen Text nicht immer ideal. Was die Schüler*innen hören, ist nicht, wie der Text klingt, sondern wie ihn ein unvorbereitetes Mitglied der Klasse zum Klingen bringt. Was tun? Einige Vorschläge: - Hausaufgabe für einzelne Schüler*innen: Den Text für die nächste Stunde lesen zu ler-nen (evtl. auch auswendig). - Zeit geben, um den Text in Tandems geschickt zu lesen. »Lesen Sie ihn so vor, dass er für Sie gut klingt.« - Eine Stimmskulptur bauen (vgl. TTS S. 485): In Gruppen gibt es eine Dirigentin und Stimmen, die jeweils einen Vers oder einen Satz übernehmen. Die Dirigentin ruft im-mer wieder Stimmen auf, die dann ihren Satz sprechen. ## Wie lernen Schüler*innen gut lesen? Littwin (2018) plädiert dafür, sich an der gesprochenen Sprache zu orientieren (und nicht etwa schriftliche Zeichen in Texten lautlich zu repräsentieren). In ihrem Text findet man im Anhang eine ganze Reihe an Übungen. Sie beschreibt ihre Methode wie folgt (S. 64): > Spezielle Übungen waren darauf ausgerichtet, die Aufmerksamkeit auf einzelne gestalterische Sprech- und Lesefähigkeiten zu richten und wurden zum Teil eine ganze Unterrichtsstunde lang durchgeführt. Es gab gezielte Übungen zum sprechenden, langsamen, situativen und körperbetonten Vorlesen sowie zur Pausensetzung. Diese Bereiche wurden bewusst gewählt, denn es sollten Analogien zum Alltag hergestellt werden, die es den Kindern ermöglichen, so vorzulesen, wie sie sprechen. ![](https://i.imgur.com/V88D2wm.png) <sub>aus: Littwin, Gloria (2018): Auf dem Weg zu einer Didaktik des Vorlesens. Zur Lernbarkeit prosodiebezogener Sprech- und Lesefähigkeiten. In: Leseräume, Zeitschrift für Literalität in Schule und Forschung, 5/2018, S. 58-80.</sub> ## Erweiterung: Tonaufnahmen Gerade wenn es um Gedichte geht, könnte ein Lernprodukt darin bestehen, Texte einzuspre-chen und sie klanglich zu interpretieren. Das geht mit Smartphones recht einfach, andere Grup-pen können dann die Lesungen anhören und kommentieren – es wäre auch denkbar, sie mit gesprochenen Texten auf Lyrikline zu vergleichen. # Methode 17: Digitale Lehrmittel ![](https://i.imgur.com/2wCreSl.png) <sub>Bux-App, Werbung</sub> ## Die Problemstellung Da immer mehr Klassen mit Laptops oder Tablets ausgerüstet sind, müssen dafür digitale Lehr-mittel bereitgestellt werden, die mehr sind als digitalisierte Bücher. Im Folgenden eine Vorstellung von drei Möglichkeiten mit einer kurzen Einschätzung. ## [Bux-App](bux-app.ch) Die App bietet Stadtrundgänge durch Zürich an – viele davon zu literarischen Themen (das Bild zeigt nur einen Ausschnitt). ![](https://i.imgur.com/KCravcr.png) Die Stadtrundgänge funktionieren teilweise in einer Web-App, die meisten aber nur mit iOS. Schüler*innen ohne iPhone müssen sich deshalb Geräte leihen, was etwas mühsam sein kann. Die App ist kostenlos nutzbar. Die Rundgänge könnten entweder ein Gruppenprojekt sein (alle absolvieren unterschiedliche und werten das aus) oder eine Vertiefung zu einer Lektüre oder einer Unterrichtseinheit. ## Begriffen.ch ![](https://i.imgur.com/fwDdTKd.png) Beat Knaus ist Deutschlehrer an der Neuen Kantonsschule Aarau, er hat begriffen.ch konzipiert. Das Tool ist eine Sammlung von Lernkärtchen, mit denen Schüler*innen Herzen sammeln kön-nen. Ergänzend sind auch Theorietexte verfügbar, auf die sich die Kärtchen beziehen. Begriffen.ch ist kostenpflichtig, einie Schulen haben aber bereits Lizenzen. Falls man eigene Kärtchen machen möchte, kann man das Tool unter [wit.app](https://witt.app) nutzen. ## Lernnavi.ch Die Kantone St. Gallen und Zürich entwickeln mit Lernnavi ein adaptives Lehrmittel, um die basalen Kompetenzen im Fach Deutsch zu sichern. Das Tool wird Schulen ab 2021 zur Verfügung stehen. # Methode 18: Umgang mit längeren Texten ## Das Problem > Neben Goethe haben Sie im Deutschunterricht Schiller, Büchner, Brecht oder Kafka behandelt. Hand aufs Herz: Wer hat jede dieser 2000 Seiten gelesen? Drei von elf Schülern strecken auf. […] > > Carla: Häufig lese ich zuerst eine Zusammenfassung und überfliege den Text, um darin das Wichtigste zu finden. Wenn ich gar keine Zeit habe, lese ich nur die Zusammenfassung und hoffe, dass sie stimmt. > Alba: Wenn ich merke, das Buch interessiert mich nicht und es gibt keine Prüfung dazu, dann lese ich es nicht fertig. > > Carla: Früher habe ich viel mehr gelesen. Jetzt eigentlich nur noch, wenn ich krank bin oder Ferien habe. Das Problem ist, dass man in der Schule lesen muss. In diesen vier Jahren hatten wir nicht ein Quartal, wo wir kein Buch lesen mussten. <sub>alle Zitate: Patric Marino, [Die Deutschstunde (NZZ Folio, April 2019)](https://www.nzz.ch/folio/deutschstunde-ld.1622948)</sub> ## Was hilft Schüler*innen dabei, längere literarische Texte zu lesen? 1. Die Auswahl der Texte muss zu einer Klasse und ihren Interessen passen. Literatur muss für sie ein Erlebnis sein, keine lästige Aufgabe. Dann verbinden sich private und schulische Leseanlässe. 2. Die Texte dürfen Schüler*innen nicht überfordern, sie müssen zu ihrem Alter und ihrer Sprachentwicklung passen. 3. Textbegegnung und Lektüre kann teilweise im Unterricht passieren, z.B. 30 Minuten einer Doppelstunde fürs Lesen einsetzen. 4. Auch größere Zeitr ume (Ferien, ganzes Quartal) etc. für Lektüre zur Verfügung stellen. 5. Lektüre in Projektarbeit einbinden. 6. Verbindlichkeit herstellen, im Unterricht – ohne Strafen, aber möglicherweise mit Lernkontrollen – zeigen, dass Lektüre erwartet wird. 7. Unterricht so gestalten, dass auch Schüler*innen, die nur Teile gelesen haben, mitreden und mitdenken können. (Also z.B. Texte wählen, die auch in Abschnitten lesbar sind; Passagen unterhaltsam und abwechslungsreich zusammenfassen (lassen); Adaptionen wie [Sommers Weltliteratur](https://www.youtube.com/channel/UCSa4RnmvfBbLgkEwqCUNGXQ) zeigen und kritisch diskutieren etc.) 8. Sich an lange Texte herantasten, 100 Seiten, 150 Seiten, 200 Seiten… Und dann den Erfolg feiern, einen Text gelesen zu haben. 9. Routinen und Techniken für Lektüre zur Verfügung stellen, reflektieren, wie Lektüre gelingen kann. 10. Mediale Angebote machen: Einige Schüler*innen können Texte als Hörbücher besser aufnehmen und z.B. hören, während sie trainieren etc. Hier Angebote machen, keine Vorschriften. ## Reflexion und Dialog Lektüregewohnheiten verändern sich und passen sich an mediale Alltagserfahrungen an. Menschen nehmen Erzählungen heute über primär audiovisuell wahr. Das muss der Deutschunterricht berücksichtigen und mit Schüler*innen gemeinsam nach Lösungen suchen. Dann passen sich die Erwartungen an, sie werden realistisch. Und die Schüler*innen erscheinen nicht faul oder demotiviert. <sub>Weitere Ideen und Vorschläge: [Die Fiktion des Lesens](fd.phwa.ch/?page_id=1233)</sub> # Methode 19: Verständnissicherung bei Lektüre ![](https://i.imgur.com/yMsvVTI.png) <sub>Screenshot Jelinek: Die Klavierspielerin, epub</sub> ## Relevanten Aspekte beim stückeweisen Lesen von literarischen Texten 1. Verständnissicherung: Die Schüler*innen können Unsicherheiten bezüglich des Textverständnisses klären. 2. Unterschiedliche Perspektiven auf Lektüre vergleichen. 3. Verbindung mit anderen Teilen der Lektüre: Erkennen von Strukturen, Verweise auf bereits gelesene Textteile und für das Verständnis weiterer Lektürephasen wichtige Abschnitte herausarbeiten. 4. Lesemotivation sichern: Lust machen, weitere Teile des Textes zu lesen. 5. Hermeneutischer Zirkel: Verbindung von Analyse von Textteilen mit dem Gesamtverständnis und der Deutung eines literarischen Werkes. ## Das Problem der Heterogenität Einige Schüler*innen lesen gern, genau und viel. Sie können auch anspruchsvolle Texte alleine bewältigen. Andere lesen fleißig, haben aber mehr Mühe. Weitere lesen eher oberflächlich, vielleicht auch lustlos. Sie haben in den Sicherungsphasen unterschiedliche Bedürfnisse, was für Abwechslung oder Auswahlmöglichkeiten spricht. ## Mögliche Vorgehensweisen 1. Kurze Verständnissicherung mit Checkfragen, Quizes etc. 2. Gemeinsame Lektüre wichtiger Passagen als Kombination von Verständnissicherung und Analyse. 3. Tandems übernehmen den Teil der Verständnissicherung. 4. Verständnissicherung findet in Gruppen statt (ritualisiert), die dann jeweils ungeklärte Fragen ins Plenum überführen. 5. Verständnissicherung ist eingebaut in Literaturunterricht. 6. Schüler*innen stellen vor der Lektion in einem digitalen Tool Fragen, um die dann der Unterricht gestaltet wird. ## Woraus muss bei der Auswertung geachtet werden? 1. Kein Zeitdruck: Gruppen müssen ihre Erkenntnisse und Fragen ruhig darlegen können. 2. Die Rolle der Gruppe und die Rolle des Publikums muss geklärt sein, alle können Verantwortung in ihrer Rolle übernehmen. 3. Wiederholungen werden vermieden, niemand wird in Situation gebracht, dasselbe sagen zu müssen, was schon jemand gesagt hat. 4. Die Erkenntnisse werden dokumentiert und können in Notizen übernommen werden. Ideen dazu: a) Arbeit mit Visualizer oder Plakaten b) digitale Dokumentation auf Etherpads, OneNote oder Padlet 5. Der Lernprozess schließt an die Gruppenarbeit an, der Unterricht ist über die Auswertung hinaus weitergedacht.