# Wie hat Ihnen ______ bis jetzt gefallen? *The Anthropocene Reviewed* ist ein Podcast von John Green, der 2021 als Buch erschienen ist. Auf Deutsch heißt das Buch *Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?* Wenn Sie nicht wissen, was »Anthropozän« bedeutet, sollten Sie das jetzt googlen. Der Podcast bzw. das Buch ist aus Kolumnen zusammengesetzt. In jeder Folge bewertet Green etwas, auf einer Skala von 1-5. Die Bewertung erfolgt immer ganz am Schluss. ## Wie die Kolumne funktioniert Green schreibt in der Einleitung, erste Erfahrungen mit Bewertungstexten habe er auf einer Buchseite im Netz gemacht. Später habe ihm seine Partnerin Sarah Urist Green folgendes Feedback auf seine ersten Texte gegeben: > In meinen Buchkritiken kam das Wort »Ich« nicht vor. Ich sah mich als unbeteiligten, von außen beschreibenden Beobachter. Daher waren auch meine ersten Bewertungen von Diet Dr Pepper und Kanadagänse in der dritten Person geschrieben, gewissermaßen als Sachtextversion einer Geschichte aus der Sicht eines allwissenden Erzählers. Sarah las sie und merkte an, dass es im Anthropozän keine unbeteiligten Beobachter gibt — nur Beteiligte. Wenn jemand eine Bewertung schreibt, erklärte sie, dann schreibt er eigentlich eine Art Lebensbericht — hier ist, was ich beim Essen in diesem Restaurant oder beim Schneiden meiner Haare bei diesem Friseur erlebt habe. »Es gibt keine Beobachter, nur Beteiligte«, habe Sarah ihm auch gesagt. Green schreibt darüber, wie er beteiligt ist. Er versucht aber auch, »Widersprüche der menschlichen Existenz« aufzuzeigen. Er schreibt dazu: > Wie können wir beispielsweise so mitfühlend und gleichzeitig so grausam sein, so hartnäckig und gleichzeitig so mutlos? Vor allem aber wollte ich die Widersprüchlichkeit menschlicher Macht verstehen: Einerseits sind wir viel zu mächtig, andererseits bei Weitem nicht mächtig genug. Wir sind zwar in der Lage, das Klima und die Biodiversität der Erde radikal zu verändern, aber nicht mächtig genug, um zu entscheiden, *wie* wir sie verändern. Greens Kolumnen haben so eine klare Funktion: Es geht um eine Auseinandersetzung mit menschlichen Phänomenen – und wie er daran beteiligt ist. Sie bestehen meist aus folgenden Bestandteilen: 1. Eine oder mehrere Anekdoten, die als kleine Geschichten aus dem Leben von Green erzählen. 2. Hintergrundinformationen zu einem Aspekt der Thematik. 3. Aussagen zur größeren Bedeutung des Themas 4. Bewertung Der Ton ist dabei emotional und humorvoll zugleich. ## Beispiel: Monopoly > Die Original-Podcast-Folge finden Sie hier: > https://the-anthropocene-reviewed.simplecast.com/episodes/monopoly-and-academic-decathlon-LbHHyC1u Wenn ich mit meiner Familie Monopoly spiele, ein Brettspiel, in dem man seine Mitspieler in den Bankrott treiben muss, denke ich manchmal an Universal Paperclips, ein Computerspiel, das 2017 von Frank Lantz erschaffen wurde. In Universal Paperclips übernimmt man die Rolle einer künstlichen Intelligenz, die darauf programmiert ist, so viele Büroklammern wie möglich herzustellen. Je länger man spielt, desto mehr Büroklammern produziert man, bis schließlich alle Eisenerzvorräte der Erde aufgebraucht sind. Danach schickt man Sonden in den Weltraum, um Büroklammer-Rohstoffe auf anderen Planeten und schließlich in anderen Sonnensystemen abzubauen. Nach vielen Spielstunden gewinnt man das Spiel dadurch, dass man alle verfügbaren Ressourcen des Universums zu Büroklammern verarbeitet hat. Geschafft! Gratuliere. Alle sind tot. Bei Monopoly setzt man auf einem quadratischen Spielbrett durch Würfeln seine Spielfigur auf verschiedene Grundstücke. Im ursprünglichen Spiel stammen diese aus einer fiktiven Version von Atlantic City, New Jersey, aber das ist je nach Region und Ausgabe unterschiedlich. In der Pokémon-Version des Spiels gehören zum Beispiel Tangela und Raichu zu den Grundstücksfeldern. Aber bei allen Ausgaben kann man die herrenlosen Grundstücke, auf denen man landet, kaufen. Hat man alle farblich miteinander verwandten Immobilien in seinen Besitz gebracht und so ein Monopol gebildet, kann man dort Häuser und Hotels bauen. Wenn andere Spieler auf Grundstücken landen, die anderen Mitspielern gehören, müssen sie Miete zahlen. Hat man genügend Objekte erworben, wird die Miete für die Mitspieler irgendwann unerschwinglich und sie gehen bankrott. Monopoly ist in vielerlei Hinsicht problematisch, aber vielleicht ist das auch der Grund für den langfristigen Erfolg des Spiels — es gehört seit mehr als achtzig Jahren zu den bestverkauften Brettspielen der Welt. Seine Probleme sind unsere Probleme: Wie das Leben beginnt Monopoly sehr langsam und geht dann gegen Ende rasend schnell vorbei. Wie im realen Leben halten die Menschen die Resultate für gerechtfertigt, obwohl das Spiel die Reichen und Privilegierten bevorzugt und in den Bereichen, in denen das nicht so ist, komplett vom Zufall abhängt. Und wie im echten Leben werden deine Freunde sauer, wenn du ihnen ihr Geld aus der Tasche ziehst. Und schließlich breitet sich in dir — egal, wie reich du bist — eine immer größere Leere aus, die mit Geld niemals aufgefüllt werden kann. Aber du bist so gefangen im Rausch des unregulierten freien Handelns, dass du trotzdem glaubst, du könntest Erfüllung finden, wenn du dir nur noch ein paar Hotels mehr unter den Nagel reißt und deinen Freunden auch noch ihre letzten paar Dollars abluchst. Für mich ist das Schlimmste an Monopoly seine verschwurbelte, widersprüchliche Darstellung des Kapitalismus. In dem Spiel geht es im Grunde genommen darum, dass Grunderwerb quasi reines Würfelglück ist und dass die Ausbeutung durch Monopolisten wenige reich und dafür viele arm macht. Aber trotzdem ist das einzige Ziel des Spiels, größtmöglichen Reichtum anzuhäufen. Monopolys schönfärberische Einstellung zu ökonomischer Ungleichheit ist ebenfalls lebensnah, zumindest in der Heimatnation des Spiels, den USA, wo viele von uns Milliardäre genauso betrachten wie ich früher die beliebten Kids in der Highschool: Ich verabscheute sie, wollte aber trotzdem unbedingt zu ihnen gehören. Was Monopoly angeht, so ist die thematische Inkonsistenz des Spiels größtenteils das Resultat seiner komplizierten Entstehungsgeschichte, die ehrlich gesagt viel mehr über den Kapitalismus aussagt, als das Spiel selbst es tut. Der von Monopolys aktuellem Besitzer, dem Spielzeugkonzern Hasbro, erzählte Schöpfungsmythos lautet folgendermaßen: 1929 verlor der vierzigjährige Charles Darrow nach dem Börsencrash seinen Job in Philadelphia und war fortan gezwungen, sich sein Brot mühsam als Vertreter zu verdienen. Aber dann erfand er 1933 das Brettspiel Monopoly, ließ es sich schließlich patentieren und verkaufte die Lizenz an die Firma Parker Brothers. So wurde Darrow der erste Brettspielmillionär der Welt, seine Geschichte ist ein Paradebeispiel für die »Vom Tellerwäscher zum Millionär«-Erfolgsgeschichte eines amerikanischen Erfinders, der sich seinen Erfolg nur durch seine harte Arbeit verdient hat und eine Erfindung von Ayn Rand sein könnte. Es ist eine großartige Geschichte. So großartig, dass Darrows Biografie in vielen Editionen von Monopoly neben den Spielregeln abgedruckt ist. Heute gibt es in Atlantic City sogar eine Plakette zu Ehren von Charles Darrow. Es gibt nur ein kleines Problem mit der Story: Charles Darrow hat Monopoly gar nicht erfunden. Beinahe dreißig Jahre zuvor kreierte Elizabeth »Lizzie« Magie ein Brettspiel namens The Landlord’s Game. Wie Mary Pilon in ihrem wundervollen Buch The Monopolists ausführt, war Elizabeth Magie eine Schauspielerin und Autorin, die ihre künstlerischen Ambitionen durch ihre Arbeit als Stenografin und Sekretärin finanzierte, eine Arbeit, die sie verabscheute. »Ich möchte konstruktiv sein«, sagte sie einmal. »Nicht nur ein mechanisches Werkzeug, mit dem die Gedanken, die ein Mann ausspricht, zu Papier gebracht werden.« Zu ihren Lebzeiten war Magie vor allem für eine Zeitungsanzeige bekannt, in der sie sich selbst dem Höchstbietenden zum Verkauf anbot. Sie beschrieb sich als »nicht schön, aber sehr attraktiv« und als Frau mit »sehr unkonventionellem Charakter«. Die Anzeige, die landesweit Schlagzeilen machte, sollte Aufmerksamkeit auf die Diskriminierung von Frauen in allen Aspekten des amerikanischen Lebens lenken, durch die sie aus der Arbeitswelt gedrängt und in die Rolle der unterwürfigen Ehefrau gezwungen wurden. Magie sagte einem Journalisten: »Wir sind keine Maschinen. Mädchen haben Verstand, Wünsche, Hoffnungen und Ambitionen.« Magie war auch der Überzeugung, dass eine Frauenbewegung nur Erfolg haben konnte, wenn auch das Wirtschaftssystem grundlegend verändert wurde. »Schon bald werden Männer und Frauen begreifen, dass sie nur deshalb arm sind, weil Carnegie und Rockefeller mehr Geld haben, als sie ausgeben können«, sagte sie. Um der Welt dies zu verdeutlichen, veröffentlichte Magie 1906 The Landlord’s Game. Magie war Anhängerin von Henry George, einem Ökonomen, der der Überzeugung war, »dass sich Eisenbahnen, Telegraphen und Grundversorgungsbetriebe in öffentlichem Besitz befinden und nicht durch Monopole kontrolliert werden sollten und dass Land allen gemeinsam gehören sollte«, wie Antonia Noori Farzan in der Washington Post schrieb. Magie gestaltete The Landlord’s Game, um Georges Ideen zu veranschaulichen, und sie glaubte, Kinder, die es spielten, »würden deutlich erkennen, wie schrecklich ungerecht unser aktuelles System des Landbesitzes ist«. The Landlord’s Game ähnelte Monopoly in vielerlei Hinsicht: Wie Monopoly hatte es ein quadratisches Spielbrett mit Immobilien und wie bei Monopoly konnte man im Gefängnis landen, wenn man unglücklich würfelte. Aber Magie veröffentlichte ihr Spiel mit zwei verschiedenen Regelwerken. In einem war das Ziel — wie beim heutigen Monopoly —, die Gegner in die Armut zu treiben und Landbesitz-Monopole zu bilden. Im anderen Regelwerk »hatten alle etwas davon, wenn Wohlstand geschaffen wurde«, wie Pilon es ausdrückte. Ein Regelwerk zeigte, wie Mietsysteme Vermieter bereicherten und Mieter in Armut hielten, was dazu führte, dass sich im Lauf der Zeit das Kapital in den Händen einiger weniger sammelte. Die anderen Regeln sollten einen besseren Weg aufzeigen — in dem der Reichtum, der von vielen erwirtschaftet wurde, auch auf viele verteilt wurde. Die monopolistischen Regeln für The Landlord’s Game erwiesen sich als die beliebtere Variante, und als College-Studenten das Spiel erlernten und selbst gemachte Versionen davon spielten, erweiterten und veränderten sie die Regeln und machten es dem Monopoly, das wir heute kennen, noch ähnlicher. Eine Variante aus Indianapolis, genannt Fascinating Game of Finance, wurde 1932 veröffentlicht, und hier in Indianapolis lernte auch eine Frau namens Ruth Hoskins das Spiel kennen. Bald darauf zog sie nach Atlantic City und passte das Spiel an ihre neue Heimatstadt an. Hoskins brachte das Spiel vielen Bekannten bei, darunter auch einem Ehepaar, das später nach Philadelphia zog, wo sie das Fascinating Game of Finance einem Typ namens Charles Todd beibrachten. Dieser wiederum lehrte es Charles Darrow. Darrow bat ihn um eine Kopie der Spielregeln, veränderte das Design ein bisschen, ließ das Spiel patentieren und wurde Millionär. Hier ein Beispiel dafür, dass Charles Darrow Monopoly auf keinen Fall erfunden hat: Marven Gardens (in der deutschen Version die Goethestraße) ist eine Gemeinde in der Nähe von Atlantic City. In Charles Todds Version des Spiels, die er über Ruth Hoskins gelernt hatte, wurde die Gegend fälschlicherweise als Marvin Gardens bezeichnet. Dieser Schreibfehler wird in Darrows Version des Spiels wiederholt, denn Charles Darrow ist nicht der Erfinder von Monopoly. Wie sich herausgestellt hat, ist die Geschichte einer Person, die zu Recht für ihr Genie belohnt wurde, in Wirklichkeit die viel komplexere Geschichte einer Frau, die ein Spiel erfand, das durch unzählige Mitentwickler gespielt, bearbeitet und verbessert wurde. Eine Geschichte darüber, wie gut der Kapitalismus funktioniert, ist in Wahrheit eine Geschichte darüber, wie er scheitert. Darrows Monopolismus schadete einer Menge Leute, aber Elizabeth Magies Verlust ist besonders ärgerlich, denn nicht nur ihr Spiel wurde von Monopoly unter sich begraben, sondern auch die Ideale, für deren Verbreitung sie so hart gearbeitet hatte. Magies Absage an den unregulierten »Extraktionskapitalismus« wurde in eine Lobeshymne darauf verwandelt, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Im Spiel Monopoly werden Macht und Ressourcen so lange ungerecht verteilt, bis ein Einzelner schließlich das gesamte Kapital besitzt, und nur in diesem Sinne ist es wirklich Charles Darrows Spiel. Trotzdem bezeichnet Hasbro mehr als hundert Jahre nach Magies Veröffentlichung von The Landlord’s Game Charles Darrow weiterhin als den Erfinder von Monopoly und sagt über Elizabeth Magie nur: »Im Lauf der Geschichte hat es immer wieder beliebte Land-Grabbing-Games gegeben. Elizabeth Magie — eine Autorin, Erfinderin und Feministin — gehörte zu den Pionierinnen dieses Spielegenres.« Kurz gesagt, weigert sich Hasbro immer noch, zuzugeben, dass auch der Konzern selbst das Land, auf dem sein Spiele-Imperium ruht, geraubt hat. Ich gebe Monopoly eineinhalb Sterne.