## Soziale Arbeit in der digitalen Transformation ### Fachtag im Wesersalon der Hochschule Bremen. 24.01.2025 ![3aaf0a86accf41c6a6d861761559883bb2706cb4](https://hackmd.io/_uploads/S13_Vz3Ike.jpg) Die Veranstaltung widmet sich der digitalen Transformation in der Sozialen Arbeit und beleuchtet, wie sich die Profession in den letzten 25 Jahren verändert hat und sich in den nächsten Jahren verändern wird /muss. Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis geben Einblicke in aktuelle Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen, wie z.B. Medienkompetenzen, Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Herausforderungen für die Soziale Arbeit. Ein abschließendes Worldcafé lädt dazu ein, die Zukunft der Sozialen Arbeit in der digitalen Transformation in den kommenden 10 Jahren gemeinsam zu diskutieren und notwendige Veränderungen in der Ausbildung und Praxis zu formulieren. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Wesersalon Soziale Arbeit der Hochschule Bremen statt. ### 10:00h Begrüßung und Moderation [Prof. Dr. Annette Harth](https://www.hs-bremen.de/person/aharth/), Hochschule Bremen. ### 10.15h Digitale Transformation der Sozialen Arbeit in den letzten 25 Jahren [Markus Gerstmann](https://markus-gerstmann.de) ist Medienpädagoge im ServiceBureau Jugendinformation und seit 25 Jahren Lehrbeauftragter für Medienpädagogik an der Hochschule Bremen, Studiengangseinheit Soziale Arbeit Markus Gerstmann berichtet von verschiedenen großen digitalen Veränderungen in den Jahren 1984, 1995/96 und 1999. Ziel ist es, die Teilnehmer:innen in die damalige Zeit und deren Herausforderungen einzuführen ![grafik](https://hackmd.io/_uploads/SyHH3WBuJx.png) 1999 gab es nur wenige Internetseiten, die aus dem Bereich der sozialen Arbeit kamen: Soziales Netz, seniorenweb, Treffpunkt Sozialarbeit, jugendinfo.de. ##### Ergebniss der Diplomarbeit von Christian Drynader und Markus Gerstmann (1999): „Keiner der Befragten berichtet davon, dass er vom Anstellungsträger angeregt wurde, geschweige denn einen offiziellen Auftrag hatte, sich um EDV (heute Internet /Social-Media) zu bemühen. In den Augen der Innovatoren war der Einsatz von EDV sinnvoll, um ihre Arbeit gut und effektiv zu gestalten. An erster Stelle stehen also die Interessen der Innovatoren an ihrem persönlichen Arbeitsplatz und der Gestaltung der eigenen Arbeit und erst an zweiter Stelle an einer Innovation für die gesamte Institution“ *Bolay / Kuhn, „Wilde PC“ am Arbeitsplatz Implementation von EDV in Institutionen Sozialer Arbeit durch Mitarbeiter. Eine arbeits- und kultursoziologische Untersuchung, 1993* ##### Zukunftsausblick aus der Diplomarbeit von 1999 > „Zu allen Themengebieten gibt es Selbsthilfegruppen, die einen Austausch über Chat oder Newsgruppen anbieten. Sozialpädagogische Erstberatung werden ebenfalls online angeboten. Der Sozialarbeiter wird, wie ein Versicherungsvertreter, bei seinen Besuchen ein Notebook mit Internetanschluss dabei haben und alle Dinge online erledigen. Zudem wird die Telearbeit an Bedeutung gewinnen“ ### 25 Jahre Lehrauftrag Markus berichtet beispielhaft von spannenden Themen aus den verschiedenen Jahren. EDV, Datenbank (2000) Elearning (2003) Online Dating (2005) Alternate Reality Game (2010) Geocaching (2012) Mediale Zukunftserzählungen (2021) Podcast (2022) Trash-TV und Influencer*innen (2023) **Vorteil eines Lehrauftrag Medienpädagogik:** Neues Ausprobieren, Austausch, Weiterentwicklung, Auseinandersetzung, Diskussion - im optimalen Fall von der Idee bis zur Veröffentlichung - also einen geschützten Proberaum für medienpädagogische Themen und deren Entwicklung. ![grafik](https://hackmd.io/_uploads/rJGO1GBuke.png) ##### Empfehlung um zu aktuellen Themen in das eigene medienpädagogische Handeln zu kommen. * Einfach machen – Anstatt lange zu überlegen, fang an! Nutze die Kompetenzen in der Gruppe. Setze Ideen um und lerne aus den Erfahrungen. Reflektiere die Erfahrungen * Fragen stellen – Bleibe neugierig und scheue dich nicht, interdiszplinär Kolleg:innen Fragen zu stellen bzw. die Fragestellung zu diskutieren. So kannst du neue Perspektiven gewinnen und dein Wissen erweitern. * In die Diskussion gehen – Bringe dich aktiv in Gespräche ein, teile deine Gedanken und höre anderen zu. Offener Austausch fördert Innovation und Verständnis. * Vernetzen – Knüpfe Kontakte und pflege Beziehungen zu anderen Fachdiszipilien. Ein starkes Netzwerk kann dir neue Möglichkeiten eröffnen und gegenseitige Unterstützung ermöglichen. * Kooperieren / Kollaborieren – Arbeite mit anderen zusammen, um gemeinsam mehr zu erreichen. Zusammenarbeit bringt neue Ideen, stärkt Teams und macht Prozesse effizienter. ![grafik](https://hackmd.io/_uploads/S1WtvBqd1e.png) ##### Haltung: Die digitale Lebenswelt sollte als fester Bestandteil des Alltags anerkannt werden. Die Interessen der Adressat*innen müssen berücksichtigt und aktiv verteidigt werden. Ein zentrales Ziel ist die Befähigung zur Medienkompetenz, um einen reflektierten und sicheren Umgang mit digitalen Medien zu ermöglichen. Digitale Teilhabe muss für alle gesichert werden, damit niemand von der digitalen Gesellschaft ausgeschlossen wird. Gleichzeitig sind Plattformbetreiber in die Verantwortung zu nehmen, um Schutzmechanismen zu gewährleisten und Risiken zu minimieren. #### Ein Ausblick auf medienpädagogische Herausforderungen für 2025 ![grafik](https://hackmd.io/_uploads/r1W8Shvdkx.png) :::danger Links zum Vortrag von Markus Gerstmann Apple [Video 1984](https://www.youtube.com/watch?v=VtvjbmoDx-I) Macintosh Fortnite [Antwort 2019](https://www.youtube.com/watch?v=fHLuKumkASg) Jahr-[2000-Problem](https://de.wikipedia.org/wiki/Jahr-2000-Problem) Alternate Realty Game - [Zwischen Spielspaß und Lernerfolg – kritische Medienpädagogik durch Alternate Reality Games (ARGs)](https://www.medienpaedagogik-praxis.de/2012/05/02/kritische-medienpadagogik-durch-alternate-reality-games-args/) [Digitale Zukunftsfantasien](https://padlet.com/markusgerstmann/digitale-zukunftsfantasien-ycqwj3vfrptf) Podcast Soziale Arbeit [Sammlung](https://padlet.com/ServiceBureau/podcast-soziale-arbeit-jrjccu0doergfh97) [Trash-TV ](https://padlet.com/ServiceBureau/trash-tv-guilty-pleasure-1mg41czy5ha66zfy) [Medienpädagogisches Regal](https:/mysoz.de/egal) mit vielen Links zu medienpädagogischen Themen ::: *** ### 10:35h Videostatement: Mediatisierter Alltag von Klient*innen und Fachkräften: Warum Medienkompetenz zur professionellen Kernaufgabe der Sozialen Arbeit gehört [Prof. Dr. Eik Hennig Tappe](https://www.fh-muenster.de/sw/personen/professorinnen.php?pId=6096&orga=10&m_list_id=0&p_list_id=30), FH Münster **Einführung in die Arbeit von Eik-Henning Tappe** Eik-Henning Tappe, Professor für Digitalisierung und Medienpädagogik an der FH Münster, betont die Bedeutung praxisorientierter Ansätze in der Medienpädagogik. Seine Arbeit umfasst Projekte mit Studierenden zu Themen wie KI, Gaming und Social Media. Ursprünglich aus der offenen Kinder- und Jugendarbeit kommend, liegt sein Schwerpunkt auf inklusiver Medienpädagogik. Ferner ist er Co-Vorstandsprecher der [Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur](https://www.gmk-net.de/) (GMK). ![grafik](https://hackmd.io/_uploads/rkwtul6w1g.png) 1 **Handlungsorientierte Medienpädagogik** Tappe verfolgt einen handlungsorientierten Ansatz, der theoretisches Wissen mit praktischer Erfahrung kombiniert. So werden beispielsweise Gaming oder VR nicht nur theoretisch behandelt, sondern aktiv gestaltet. Dieses „Selbsttun“ ermöglicht ein tieferes Verständnis für Medien, ihre Wirkmechanismen und ihren Einfluss. 2. **Haltung und Reflexion in der Sozialen Arbeit** Tappe unterstreicht die Notwendigkeit einer objektiven und reflektierten Haltung gegenüber digitalen Medien. Fachkräfte sollten weder bewahrpädagogisch handeln noch virtuelle Lebenswelten abwerten. Stattdessen gilt es, die Bedeutung und Funktion digitaler Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen zu verstehen und pädagogisch darauf einzugehen. 3. **Anforderungen an Fachkräfte der Sozialen Arbeit** Fachkräfte müssen nicht technologisch auf dem neuesten Stand sein, aber offen für digitale Sozial- und Kulturräume bleiben. Die Kernaufgabe bleibt der Dialog: Klient:innen zuhören, ihre Lebenswelten verstehen und sie pädagogisch begleiten. Medienpädagogische Kompetenz erfordert keine technische Perfektion, sondern die Bereitschaft, digitale Räume zu betreten und kritisch zu reflektieren. 4. **Praxisnaher Ansatz für Medienbildung** Eik-Hennig Tappe empfiehlt Einrichtungen, mit einfachen Schritten zu beginnen, beispielsweise durch gemeinsame Reflexion und niederschwellige Projekte. Medienbildung sollte nicht als Zusatzaufgabe, sondern als Kernbestandteil der Sozialarbeit verstanden werden. 5. **Herausforderungen der digitalen Transformation** ##### Die soziale Arbeit steht vor großen Herausforderungen: * Altersfreigaben für Social Media: Eine Erhöhung könnte die pädagogische Arbeit erschweren, da Jugendliche trotz Einschränkungen Plattformen nutzen. * KI-Integration: KI wird zunehmend Einfluss auf kulturelle und kreative Prozesse haben, etwa durch generierte Inhalte. Fachkräfte müssen lernen, kritisch mit KI umzugehen. * Fake News und Hate Speech: Diese Phänomene erfordern eine Stärkung der Medienkompetenz, um Klient:innen frühzeitig reflexionsfähig zu machen. 6. **Lösungsansätze** * Medienkompetenzmodelle wie [Baacke](https://dieter-baacke-preis.de/ueber-den-preis/was-ist-medienkompetenz/): Tappe nennt die vier Dimensionen Medienwissen, Mediennutzung, Medienkritik und Mediengestaltung als zentrale Orientierungshilfen. * Datensicherheit und Datenschutz: Soziale Arbeit sollte Klient:innen sensibilisieren und eine Vorbildrolle im Umgang mit Daten einnehmen. * Förderung von Demokratiekompetenz: Kinder und Jugendliche sollten befähigt werden, sich sicher und kritisch in digitalen Welten zu bewegen. 7. **Fazit** Digitale Transformation und Medienbildung sind keine isolierten Aufgaben, sondern zentrale Bestandteile der Lebensweltorientierung in der Sozialen Arbeit. Offenheit, Reflexion und die Bereitschaft, sich in unbekannte Räume zu begeben, sind entscheidend, um Klient:innen professionell zu begleiten und zu unterstützen. ### 11:00h Pause *** ### 11:15h Videostatements Nicht noch ne Theorie! Oder doch? Warum wir die Digitalisierung nicht einfach ignorieren können. [Prof*in Dr*in Angelika Beranek](http://medienpaedagogik-bayern.com/) (Soziale Arbeit im Digitalzeitalter) ![grafik](https://hackmd.io/_uploads/Hk8LDg6P1x.png) In ihrem Vortrag reflektiert Prof. Dr. Angelika Beranek die Bedeutung von Theorien in der Sozialen Arbeit, insbesondere im Kontext der Digitalisierung. Sie betont, dass Theorien zentrale Argumentationshilfen bieten, um soziale Probleme zu verstehen, geeignete Angebote zu gestalten und deren gesellschaftliche Notwendigkeit zu begründen. In einer digitalisierten Welt, in der soziale Probleme wie Armut, Ungleichheit oder Diskriminierung neue Formen annehmen, müssen bestehende Theorien angepasst und erweitert werden. #### Theorien der Sozialen Arbeit und Digitalisierung - Theorien erklären, definieren verschiedene Bereiche Beranek erklärt, dass viele Theorien der Sozialen Arbeit auf gesellschaftstheoretischen Konstrukten beruhen. Diese untersuchen, wie Gesellschaften funktionieren, wo Probleme auftreten und wie Soziale Arbeit eingreifen sollte. Ein zentraler Aspekt ist die Bearbeitung sozialer Probleme, die durch die Digitalisierung beeinflusst werden. Beispiele sind Armut und der sogenannte "Digital Divide", der sich in drei Ebenen gliedert: **1. First Level Digital Divide**: Der Zugang zu digitalen Medien. **2. Second Level Digital Divide:** Die Fähigkeit, diese Medien effektiv zu nutzen. **3. Third Level Digital Divide:** Die Auswirkungen der Mediennutzung auf Individuen. - positive Nutzung: Unterstützung im Leben - negative Nutzung: Mobbing, Sucht usw. Hierbei zeigt sich, dass die Digitalisierung sowohl Probleme verschärfen als auch lösen kann. Beranek hebt hervor, dass Theorien der Sozialen Arbeit diese Entwicklungen reflektieren müssen, um praxisrelevante Antworten zu bieten. ### Lebensweltorientierung und digitale Transformation. Eine der wichtigsten Theorien in der Sozialen Arbeit ist die [ **Lebensweltorientierung**](https://www.socialnet.de/rezensionen/19041.php), die sich auf die Dimensionen erfahrene Zeit, erfahrener Raum und soziale Beziehungen konzentriert. Die Dozentin zeigt auf, wie die Digitalisierung alle drei Bereiche beeinflusst: • **Erfahrener Raum**: Der digitale Raum erweitert den physischen Raum und verändert dessen Wahrnehmung. Beispielsweise beeinflussen digitale Tools wie Google Maps, welche Orte Aufmerksamkeit erhalten. • **Erfahrene Zeit:** Digitale Medien verändern die Zeitwahrnehmung, sei es durch Zeitvertreib an der Bushaltestelle oder durch die permanente Dokumentation des Lebens, die Erinnerungen formt. • **Soziale Beziehungen:** Beziehungen werden zunehmend digital initiiert und gepflegt, wodurch sich deren Struktur und Bedeutung verändern. Auch Beziehungen über große Distanzen oder durch gemeinsame digitale Interessen nehmen zu. Die Herausforderung für lebensweltorientiertes Arbeiten besteht darin, diese Veränderungen zu berücksichtigen, obwohl digitale Dimensionen oft schwer zu beobachten sind. ### Menschenrechtsprofession und Digitalisierung Die Theorie der Sozialen Arbeit als [Menschenrechtsprofession](https://www.socialnet.de/lexikon/Menschenrechtsprofession), bekannt durch Staub-Bernasconi, wird durch digitale Medien ebenfalls beeinflusst. Prof. Dr. Beranek illustriert dies am Beispiel von Artikel 2 der Menschenrechtskonvention, der Diskriminierungsfreiheit fordert. Digitale Systeme wie KI-basierte Entscheidungssysteme bergen das Risiko, Diskriminierungen zu reproduzieren, da sie auf historischen Daten basieren, die oft Vorurteile enthalten. Diese Systeme können sexistische oder rassistische Strukturen verfestigen und somit gesellschaftliche Ungleichheiten verstärken. Angelika Beranek betont, dass Soziale Arbeit darauf achten muss, solche diskriminierenden Systeme nicht unkritisch einzusetzen und deren Auswirkungen auf Klient:innen zu überprüfen. Gleichzeitig kann Soziale Arbeit dazu beitragen, diskriminierungsfreie digitale Technologien zu fördern. ### Lebensbewältigung und digitale Medien Eine weitere Theorie, die Beranek diskutiert, ist die [Lebensbewältigung](https://www.socialnet.de/lexikon/Lebensbewaeltigung) nach Bönisch. Diese Theorie betrachtet auffälliges Verhalten als Ausdruck von Abspaltung, die entweder nach innen (z. B. selbstverletzendes Verhalten) oder nach außen (z. B. Aggression) gerichtet sein kann. Digitale Medien können solche Verhaltensweisen verstärken, beispielsweise durch Foren, Magersucht oder selbstverletzendes Verhalten verherrlichen, ode[](https://)r durch Plattformen, die Cybermobbing begünstigen. Das Internet wirkt hier oft als Katalysator, der bestehende Probleme verstärkt. Prof. Dr. Angelika Beranek fordert, dass die Soziale Arbeit diese Dynamiken erkennt und entsprechende Ansätze entwickelt, um negative Auswirkungen digitaler Medien zu minimieren. ### Neue Theorien für digitale Soziale Arbeit Beranek argumentiert, dass angesichts der Digitalisierung neue Theorien notwendig sind, die spezifische Aspekte der Sozialen Arbeit beleuchten. Ein interessantes Konzept ist dabei die Betrachtung von Künstlicher Intelligenz (KI) als Koproduzent sozialer Arbeit. Sie beschreibt, wie Menschen dazu neigen, KI-Systeme zu anthropomorphisieren und Beziehungen zu ihnen aufzubauen, wie es beispielsweise bei „My AI“ von Snapchat beobachtet werden kann. KI kann in der Sozialen Arbeit eine unterstützende Rolle spielen, etwa durch Risiko-Scoring bei Kindeswohlgefährdung oder als Assistenz in Beratungsgesprächen. Angelika Beranek hebt hervor, dass KI als neuer Diskussionspartner betrachtet werden könnte, der Fachkräfte unterstützt, indem er Hinweise gibt oder auf unbeachtete Aspekte hinweist. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, um Abhängigkeiten oder ethische Konflikte zu vermeiden. ### Fazit Abschließend betont Frau Beranek, dass Theorien der Sozialen Arbeit unverzichtbar sind, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu verstehen und anzugehen. Die digitale Transformation erfordert sowohl die Anpassung bestehender Theorien als auch die Entwicklung neuer Ansätze, um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden. Soziale Arbeit muss dabei eine kritische Haltung einnehmen, um digitale Technologien verantwortungsvoll zu nutzen und die Rechte und Bedürfnisse ihrer Adressat*innen zu schützen ### Aber ich wollte doch was mit Menschen machen?! #### Warum Digitalisierung die Haltung von Akteuren in der Sozialen Arbeit herausfordert. [Prof. Andreas Büsch,](https://andreas.buesch-web.de/about-me-professor-buesch/) Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaft, Katholischen Hochschule (KH) Mainz. #### Haltung und Kompetenzen im Bereich Medienpädagogik • Wann ist unser Handeln „gut“ bzw. „richtig“? → normative Perspektive („Soll“-Vorstellungen; Sittlichkeit) • **Moral**: die Summe der Verhaltensregeln, die in einer Gruppe gelten • **Ethik**: Reflexion auf die Moral und die ihr zugrunde liegenden Normen • **Wert**: Ergebnis einer Bewertung von Personen, Handlungen oder Gegenständen (Verantwortung als Prinzip) • **Norm**: Festlegungen angemessenen Verhaltens • **Haltung**: Motivation des Handelns in ethischer Hinsicht → Gesinnung → Verantwortung #### Haltung zur Digitalisierung sozialer Arbeit Was heißt Haltung als verantwortlicher Umgang mit digitalen Medien? Kampf an zwei Fronten? * – Ablehnung * – kritisch-kompetente Nutzung > * „Jeder, der ein sozio-technischen Systems verändern will, braucht Expertise sowohl darüber, was genau das technische Problem ist, als auch darüber, wie genau der soziale Kontext aussieht“. (Friesike / Sprondel 2022, 14) #### Von (Post-)Digitalisierung zur Digitalität ![grafik](https://hackmd.io/_uploads/Sy9EOZH_yl.png) > „Medienkompetenz ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für einen sachgerechten, verantwortlichen und sozialen Umgang mit KI.“ (Büsch 2024 a, 14) #### Drei Ebenen der Digitalisierung 1. Organisatorische Ebene: IT/EDV und Wandel von Arbeit(sabläufen) 1. Pädagogisch-didaktische Ebene: Geräte, Plattformen und Dienste als didaktisches Medium für Beratung usw. 1. Inhaltliche Ebene: Digitale Medien und Digitalität als Bildungsgegenstand > „Medien“ als Erweiterungen des Menschen > „The medium is the message. This is merely to say that the personal and social consequences of any medium -that is, of any extension of ourselves -result from the new scale that is introduced into our affairs by each extension of our-selves, or by any new technology.“ > (Herbert Marshall McLuhan: Understanding media. Digitalisierung im Verlauf: - von Leitmedium Fernsehen zum Leitmedium Internet - unzählige kulturelle virtuelle Räume ermöglichen viele Handlungsmöglichkeiten - Medienkompetenz ist zwangsläufig notwendig geworden - Zeitorganisation heute überwiegend digital - Effizientere Organisation(Probleme: Schwierigkeit der Abgrenzung) - Online Beratung - Digitalisierung reflektieren und diskutieren(Kompetenzbereich) #### Digitalität erweitert Sinne und Fähigkeiten ![grafik](https://hackmd.io/_uploads/SJiMc-SO1x.png) #### Ausblick: Herausforderungen für Soziale Arbeit • (Professions-)Ethische Herausforderungen * – Einsatz von Algorithmen und KI • für Wissens-/Expertensysteme? • für predictive analytics? * – Datenschutz (besonders schützenswerte Daten, Art. 9 EU-DSGVO)vs. AMAMA (ehem. GAFAM) * – Menschenwürde vs. Modellierungen in Technik * – Strukturelle Grenzen der Verantwortungs-Ethik #### „Ich wollte doch was mit Menschen machen“ Anders formuliert:Warum kompetente Professionals der Sozialen Arbeit wichtige Akteur:innen der Digitalität sein können • Professionalität, d.h. – Reflektierte, verantwortliche Position – Professionelle Auseinandersetzung statt Vorbehalts- und Risiko-Diskursen – Kenntnisse, Nutzungs- und Vermittlungskompetenzen – „Vorbildfunktion“ – Kritisch-kompetente Haltung zu Phänomenen und Strukturen der Digitalität – Ambiguitätstoleranz: Begegnungen, Kommunikation und Orientierung in fragwürdigen Umgebungen ermöglichen ### 12:15h Pause ### 12:45h (Digitale) Zukunft der Sozialen Arbeit KI als pädagogische Herausforderung , [Jule Kehr-Ritz](https://www.gmk-net.de/?longdesc=24103&referrer=24103), ServiceBureau Jugendinformation Der Vortrag von Julia Kehr-Ritz beleuchtet die Chancen, Risiken und ethischen Herausforderungen von Künstlicher Intelligenz (KI) und plädiert für eine kritische, reflektierte Auseinandersetzung mit dieser Technologie. **KI wird als Teilgebiet der Informatik** entmystifiziert, das auf Algorithmen basiert, die durch maschinelles Lernen spezifische Aufgaben lösen. Die Vortragende betont, dass KI kein magisches oder göttliches Wesen ist, sondern ein **von Menschen entwickeltes Werkzeug**, das nur so gut ist wie die Daten und Ziele, die ihm zugrunde liegen.! ![Zwischenablage_01-28-2025_01](https://hackmd.io/_uploads/rkzHaILd1e.jpg) Ein zentrales Thema sind die weit verbreiteten Missverständnisse und überhöhten Erwartungen an KI, die oft durch Science-Fiction und Marketing geprägt werden. Dabei wird KI in der öffentlichen Wahrnehmung häufig personifiziert – durch Bilder von menschenähnlichen Robotern oder Stimmen, die in Geräten wie Alexa weiblich und unterwürfig wirken. Diese Darstellungen wecken unrealistische Vorstellungen und lenken von den tatsächlichen Funktionsweisen und Problemen ab. Anhand konkreter Beispiele zeigt Julia Kehr-Ritz die Potenziale und Gefahren von KI auf. So übertrifft KI in einigen Bereichen menschliche Fähigkeiten, etwa bei der medizinischen Bilddiagnostik oder der Mustererkennung. Gleichzeitig können Vorurteile in den Datensätzen zu Diskriminierung führen, etwa in der Gesichtserkennung oder bei automatisierten Entscheidungen, die gesellschaftliche Ungleichheiten reproduzieren. Im Kontext autonomer Fahrzeuge weist sie auf die Problematik unvollständiger Trainingsdaten (hier z.B. Menschen im Rollstuhl) hin. Ein weiteres Beispiel ist die **Manipulationsgefahr durch Deepfakes**, die u.a. in der Politik und bei der Verbreitung von Desinformationen problematisch sind bzw. übergriffige Frauen-Bilder produzieren. Auch die Rolle von KI im Marketing und der Konsumsteuerung wird kritisch betrachtet, da Algorithmen Menschen gezielt beeinflussen können. Die Vortragende hebt hervor, dass KI-Systeme nicht neutral sind. Sie sind das Produkt menschlicher Entscheidungen und spiegeln oft Machtverhältnisse wider. Dies zeigt sich besonders bei der Konzentration von KI-Entwicklung und -Nutzung in den Händen weniger großer Tech-Konzerne. Abschließend ruft Julia Kehr-Ritz dazu auf, K**I aktiv mitzugestalten und kritisch zu hinterfragen.** Sie plädiert für Alternativen wie **Open-Source-Projekte** und gemeinwohlorientierte Ansätze, um die Technologie inklusiver und gerechter zu machen. Die Zuhörenden werden ermutigt, sich nicht von Angst oder Utopien leiten zu lassen, sondern sachlich und reflektiert über KI zu sprechen und deren Entwicklung in eine positive Richtung zu lenken. ### Reboot: social work - KI und Soziale Arbeit, Daniel Telkmann, Sozialarbeiter bei Amt für Soziale Dienste Bremen und Lehrbeauftragter für Sozialwissenschaften an der Hochschule Bremen, Studiengangseinheit Soziale Arbeit. Seine Masterarbeit: https://media.suub.uni-bremen.de/bitstream/elib/7683/1/Bremer_Schriften_Bd_3_Telkmann.pdf ![daniel](https://hackmd.io/_uploads/BJx_RVIO1g.jpg) Beispiel Tool? - AFST Screening Tool: "Vorfiltern" lohnenswerte Verfolgung von Kindeswohlgefährdung in Hotlines - Vorhersage Kindeswohlgefährdung mögliche Auswirkungen KI-Tools: - Hin zu Vorhersage "prädiktiv" über Wahrscheinlichkeiten - Prävention:Handlung mit Perspektive auf eine offene Zukunft -Prädiktiv sinnvoll bei knappen Ressourcen i.d. sozialen Arbeit - Abschaffung von Theorien - Fokus auf Lösungen durh effiziente Big Data Reboot? - Prädiktive bzw. präemptive Sozialarbeit legitimiert durch Solutionismus ### 13:15h Worldcafé: ![grafik](https://hackmd.io/_uploads/B1tHfBLuJl.png) #### 1. * Wie sieht Soziale Arbeit 2035 aus? Welche Rolle spielen digitale Medien und KI dann? * Digitales Wissensmanagement * Chatbot übernimmt Info-Beratung (Transfer) * KI als Beratung – wie weit ist das möglich? * Automatisierung von Dokumentation und bürokratischen Prozessen * KI als Sprachmittlung * KI als "Flugsimulator" zur Vorbereitung auf Grenzfälle * KI als Screening-Support in Fluchtdump und Reflexionsphasen * KI als Hilfe für Informationsverarbeitung * Big Data vs. Fachspezifische Datensätze * KI als Unterstützung für Wissensmanagement → Berührungspunkte mit Beratungsethik XY und Theorie YZ * Fachspezifische Anwendungen mit geordneten Datensätzen• #### 2. Welche Aufgabe hat Soziale Arbeit heute, damit es 2035 weiterhin eine „gute“ Sozialarbeit gibt? * Reflexionsräume bieten! * Zynismus boykottieren * Soziale Arbeit 2035: genau die selbe wie jetzt!? * Kritischer Blick * Wer bestimmt die Art der Automatisierung? * Medienkompetenz als Bestandteil der Profession * Tech.-Kompetenzen von Studierenden stärken. * Medienkompetenz * Inhalte Social Media kritisch beurteilen. * Trotz KI: Adressat:innen zu Wirklichkeit und Kreativität anregen * Digitale Welt annehmen und mitgestalten: Was bedeutet Medienethik tatsächlich? * Soziale Arbeit muss sich beruflich und gesellschaftspolitisch als Menschenrechtsprofession verdeutlichen (-- Dystopie) #### 3. Wie muss sich die Ausbildung anpassen? • Technikverständnis • Erweiterte Weiterbildung • Umsetzung • Korrupte Datensätze erkennen • Theorien zur Digitalisierung in der Sozialen Arbeit • Soziale Arbeit muss sich weiterbilden, um den Einsatz von KI gut umzusetzen & kreativ bleiben. #### 4. Wie können wir die Adressat:innen der Sozialen Arbeit „mitnehmen“ bzw. ihre Interessen weiterhin vertreten?  • Wie können wir die Adressat:innen der Sozialen Arbeit mitnehmen? • Mit der Zeit und Technik gehen • In der Lebenswelt der Adressat:innen agieren → von den Adressat:innen mitnehmen • Partizipation • Neues Aushandeln der Beratungsbeziehung • Motivationshilfe zu alternativen Beschäftigungsformen (z.B. Erlebnispark, Sport) :::info ##### Offene Fragen • Wie kann die Arbeit in die Praxis digitale Angebote mitbringen, wenn die finanziellen Mittel fehlen? (Personal) • Wie und wo wird Digital Streetwork bereits umgesetzt? • Wie könnte digitale Beratung aussehen? (z.B. an Anonyme Anlaufstellen, Bürgergeld) • Probleme mit digitalem Zugang für Klient:innen in prekären sozialen Lagen • Armut → Frage des Zugangs zu technischen Geräten • UX Research und Soziale Arbeit – ist das möglich? Welche Möglichkeiten gibt es? ::: ![plakate](https://hackmd.io/_uploads/SyjiAEUd1l.jpg) Studierende haben von Jahresplakate von 1999 bis 2024 erstellt. Ein kleiner Ausschnitt ist hier zu sehen. ### 14:00h Fazit Prof. Dr. Annette Harth (Hochschule Bremen) und Markus Gerstmann (ServiceBureau Jugendinformation) fassen die Veranstaltung zusammen und zeigen mögliche Diskurspunkte und Handlungsstänge auf. :::success ## 3 zentrale Herausforderungen für die Soziale Arbeit in der digitalen Transformation: ### • Digitale Kompetenz und ethischer Umgang mit Technologie Fachkräfte in der Sozialen Arbeit kennen digitale Medien, Künstliche Intelligenz und Big Data und setzen sie reflektiert ein. Gleichzeitig erfordert dies eine Auseinandersetzung mit ethischen Fragen, Datenschutz, Algorithmenbias und der digitalen Selbstbestimmung der Klient:innen. ### • Soziale Ungleichheit und digitale Spaltung Nicht alle Menschen haben gleichen Zugang zu digitalen Ressourcen oder verfügen über die nötige Medienkompetenz. Die Soziale Arbeit steht vor der Herausforderung, digitale Teilhabe für benachteiligte Gruppen zu ermöglichen und analoge Unterstützungsangebote weiterhin bereitzuhalten. ### • Beziehungsarbeit und Menschlichkeit in einer digitalisierten Welt Der Kern Sozialer Arbeit ist die persönliche Beziehung und das Vertrauen zwischen Fachkräften und Klient:innen. Digitale Kommunikationsformen (z. B. Chatbots, Online-Beratung) verändern diese Interaktion und können persönliche Kontakte nicht vollständig ersetzen. Es gilt, digitale und analoge Ansätze sinnvoll zu kombinieren, um menschliche Nähe und Empathie zu bewahren. ::: :::info ## Spezifische Herausforderungen für die zukünftige Ausbildung von Sozialarbeiter:innen in der digitalen Transformation: ### 1. Integration digitaler Kompetenzen in die Ausbildung Die Ausbildung vermittelt nicht nur klassische sozialarbeiterische Methoden, sondern auch digitale Kompetenzen wie Medienpädagogik, Datenschutz, KI-gestützte Beratung oder den Umgang mit digitalen Hilfsmitteln in der Sozialen Arbeit. Der Lehrplan muss diese Themen praxisnah integrieren, um Studierende auf die realen Anforderungen in der digitalisierten Berufswelt vorzubereiten. ### 2. Reflexion ethischer und rechtlicher Aspekte der Digitalisierung Studierende setzen sich mit ethischen Fragen und rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. Datenschutz, Urheberrecht, digitale Menschenrechte) intensiv auseinander. Die Herausforderung besteht darin, sie dazu zu befähigen, digitale Technologien nicht nur praktisch zu nutzen, sondern auch kritisch zu reflektieren und verantwortungsbewusst einzusetzen. ### 3. Verknüpfung von Theorie und Praxis in digitalen Kontexten Viele klassische sozialarbeiterische Methoden basieren auf direkter menschlicher Interaktion. Die Ausbildung zeigt Wege auf, wie diese in digitale Formate übertragbar sind, z. B. in der Online-Beratung, in sozialen Netzwerken oder in hybriden Arbeitsformen. Gleichzeitig lernen Studierende, wann digitale Methoden sinnvoll sind und wann analoge Ansätze unverzichtbar bleiben. ::: :::success Weitere Fortbildungen finden sie auf der Seite [fobi.jugendinfo.de](https://fobi.jugendinfo.de/) Zu digitalen Themen sind mögliche Bremer [Fachtage hier](https://fobi.jugendinfo.de/?group_id=45) aufgelistet. :::