:::info :copyright: 2024 Holger Kienle ![](https://mirrors.creativecommons.org/presskit/buttons/88x31/svg/by-sa.svg =x40) Dieser Text kann unter der Lizenz [CC BY-SA 4.0](https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/) verwendet werden. ::: [TOC] # Offene Baupläne für die Breitgrabeforke :hammer_and_wrench: :hedgehog: Den Boden bereiten für Klimaschutz durch Open Source Hardware ## Kurzbeschreibung OSEGeV Open Source Ecology Germany e.V. (OSEGeV) fördert als Vereinszweck die Forschung und Wissenschaft, die Erziehung sowie die Volks- und Berufsbildung. Insbesondere hat OSEGeV das Ziel, die Bekanntheit von und das Verständnis für Open Source Hardware (OSH) durch Vorträge, Workshops, Publikationen und Netzwerke zu fördern, sowie konkrete OSH-Projekte umzusetzen und dadurch greifbar und verfügbar für andere zu machen. Alle (immateriellen) Ergebnisse des Vereins stehen unter freien Lizenzen und sind somit auch durch Außenstehende des Vereins verwertbar. ## Projekthintergrund Landwirtschaft ist einer der kritischen Bereiche, bei denen eine Emissionsreduzierung durch alternative Ansätze bei Stoffkreisläufen, Prozessen und Gerätschaften geboten ist. Ein kleiner Beitrag dazu kann durch die naturgerechte und ressourcenschonende Bearbeitung des Bodens mit mechanischen Handwerkzeugen geleistet werden. Unser Projekt möchte für ein solches Handwerkzeug, die Breitgrabeforke, ein leicht nachzubauendes Design entwickeln und detaillierte offene Baupläne zur Verfügung stellen, die es Gärtner*innen ermöglichen, die Breitgrabeforke selbst herzustellen, einzusetzen und zu reparieren. Die Breitgrabeforke (im Folgenden kurz Forke genannt) kann in kleineren Einheiten wie Gemeinschaftsgärten zum Einsatz kommen, es ist aber auch denkbar, dass sie "kommerziell" in Mikrofarmen/Tiny-Farms im biointensiven Anbau ihren Einsatz findet. Die Forke ist ein Werkzeug mit 5-9 Krallen bzw. Schwertern und wird durch zwei Holzgriffe bedient. Die ideale Form der Krallen/Schwerter hängt von der Bodenbeschaffenheit ab. Die Forke (auch Grelinette und im Englischen Broadfork genannt) wurde 1952 erfunden, geriet dann in Vergessenheit und hat in letzter Zeit eine Renaissance durch ihre positiven Eigenschaften erfahren. Die Wirkung unseres Projektes kann indirekt dazu beitragen, Treibhausgasemissionen einzusparen. Auch wenn keine direkte Wirkung gegeben ist, sind die potenziellen indirekten Effekte vielschichtig. Im Gegensatz zu kommerziellen, motorisierten Maschinen wie Bodenhacke und Gartenfräse (ab 100 Euro für den Hobbybereich), die vergleichsweise hohe CO2-Äquivalente bei Produktion, Transport und Nutzung freisetzen und dem Boden eher schaden als nützen, hat die Forke nur Vorteile zu bieten. Selbst der erforderliche körperliche Einsatz hat positive Aspekte, da sie bei richtiger Anwendung rückenschonend und effizient ist (Hebelwirkung) und "meditative" Aspekte hat; laut Oya-Brief: "Stundenlang ist das möglich; statt Rückenleiden zu verursachen, trainiert [die Forke] die diagonalen Bauchmuskeln und lässt den Blick über Hügel und Täler schweifen". Mechatronische Maschinen wie die motorisierte Bodenhacke sind durch das aktuelle Wirtschaftssystem nicht rentabel zu reparieren, bzw. es erfordert sowohl Expertise als auch nötige (kostengünstige) Ersatzteile, die oft nicht vorhanden sind. Der einfache, mechanische Aufbau der Forke begünstigt hingegen die Reparatur und damit die Langlebigkeit: Wer sich die Forke selbst hergestellt hat, hat auch die Expertise, sie zu reparieren. Durch die offenen Baupläne können aber auch andere den Aufbau der Forke leichter nachvollziehen und haben eine Materialliste zur Verfügung, die eine kostengünstige Reparatur ermöglicht. Die offenen Baupläne ermöglichen die freie Nutzung - auch den kommerziellen Nachbau - und begünstigen somit die Weiterverbreitung der Idee. Jede einzelne Entscheidung für die Forke und damit gegen klimaschädlichere Alternativen, stellt eine Emissionsminderung dar. Letztlich ermöglichen die offenen Baupläne kreative Nutzungsformen, die jetzt noch nicht konkret absehbar sind. Zum Beispiel könnten auf Basis der Baupläne Workshops zum Nachbau konzipiert werden (die selbst wieder als offene Bildungsressource (OER) zur Verfügung stehen könnten) und solch ein Workshop kann als eine Form der Selbstermächtigung und Klimabildung gelten. Offene Baupläne sind ein Kernelement einer weiter gefassten Bewegung, die geistiges Eigentum, Produktion und Kollaboration neu denkt und unter dem Begriff Open Source Hardware zusammenfasst. Da unsere Organisation, OSEGeV, in diesem Gedanken wurzelt und ausschließlich Projekte in diesem Rahmen umsetzt, soll im Folgenden die Relevanz von Open Source Hardware für dieses Projekt näher umrissen werden. Open Source Hardware (OSH) überträgt den Gedanken der Offenheit von Software/Quellcode auf greifbare, physikalische Dinge. Dabei reicht das Spektrum von hochkomplexen Geräten wie MRT-Scannern bis zu relativ einfachen mechanischen und mechatronischen Konstruktionen wie das Aufladen eines Smartphones mit kleinen, tragbaren Solarpanelen, Wasserfiltration mit Eimern und mechanischen Handwerkzeugen wie der Breitgrabeforke. OSH-Lösungen haben häufig nachhaltige Aspekte wie Reparierbarkeit durch offene Baupläne und Ressourcenschonung (z.B. ShowerLoop spart Wasser und Heizenergie). Es gibt auch diverse OSH-Lösungen im landwirtschaftlichen Bereich. Die mechanisch anspruchsvolle Hanferntemaschine der Hanffaser Uckermark eG ist OSH, ebenso wie Lösungen für die Behausung von Bienen. IKEA hat offene Baupläne eines Pflanz-Regalsystems in Kugelform veröffentlicht (Space10 Growroom). OSH unterscheidet sich vom DIY in dem Anspruch eines strukturierten Vorgehens, wobei Wert auf qualitativ hochwertige Dokumentation, möglichst kollaborative Entwurfsprozesse und die rechtssichere Verwertung der Dokumentation durch offene Lizenzen (z.B. DIN SPEC 3105, CERN OHL, Creative Commons) gelegt wird, die auch die Weiterentwicklung und kommerzielle Nutzung regeln. ## Projektbeschreibung Ziele des Projektes sind (1) offene Baupläne/Dokumentation für die Breitgrabeforke (kurz: Forke) zu erarbeiten und zu veröffentlichen, (2) erste Erfahrungen von Nutzern zu sammeln, um diese dann in einen iterativen Verbesserungsprozess einfließen zu lassen, und (3) die Verbreitung der Idee von OSH im landwirtschaftlichen/gärtnerischen Bereich voranzutreiben, durch das "greif-bare" Erleben eines OSH-Werkzeugs. Es soll nicht verschwiegen werden, dass der OSEGeV sich auch als "Nebeneffekt" erhofft, der GLS Gruppe das Potenzial von OSH bei der Transformation unseres Wirtschaftssystems und unserer gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen und damit den Blick bei der GLS Gruppe zu schärfen, wo Open Source (Hardware) als transformativer Hebel genutzt werden könnte. Unser Projekt hat verschiedene Zwischenziele (Milestones): Recherche, Entwurf/Design, Prototypenbau, Prototypenevaluation, Dokumentation und Veröffentlichung. Die Milestones haben untereinander Abhängigkeiten und werden durch einen iterativen Prozess wahrscheinlich teilweise mehrmals durchlaufen werden, um sich dem gewünschten Ergebnis in Iterationen anzunähern. - Recherche: Es gibt verschiedene kommerzielle Anbieter, bei denen eine Forke gekauft werden kann. Durch eine Marktanalyse sollen die existierenden Materialien und Designs analysiert und dokumentiert werden (Reverse Engineering). - Entwurf: Basierend auf der Marktanalyse, Einschätzungen von OSEGeV-Mitgliedern, externen (landwirtschaftlichen) Experten und/oder (Prototypen-)Tests wird das Design der OSH-Forke erstellt bzw. weiterentwickelt. Es sind auch mehrere Varianten denkbar, um verschiedenen Bodeneigenschaften bzw. Regionen Rechnung zu tragen. - Prototypenbau: Nach Beschaffung/Materialeinkauf und ggf. Maschinenleihe (z.B. Schweißgerät) wird der (Teil-)Prototyp in einer Werkstatt realisiert. Eine mögliche Werkstatt ist die Alte Gießerei e.V. (gemeinnützig) in Berlin. - Prototypenevaluation: Die Eigenschaften des Protoypen werden durch einfache Belastungstests und Gebrauch ermittelt. Wenn geeignete interessierte Gärtner*innen gefunden werden, können diese in die Evaluation einbezogen werden. - Dokumentation und Veröffentlichung: Das Projekt wird fortlaufend dokumentiert und alle Ergebnisse werden unter offene Lizenzen gestellt (z.B. CC BY-SA und CERN-OHL-S). Die Rohdaten der Dokumentation werden benutzerfreundlich aufbereitet und auf einer geeigneten Plattform veröffentlicht (z.B. Open Hardware Observatory OHO e.V., OSE Wiki oder Instructables). ## Projektmessbarkeit Wie oben beschrieben, leistet unser Projektvorschlag keinen direkten Beitrag zum Klimaschutz. Wir sehen aber potenziell signifikante indirekte Effekte durch die Verbreitung der Breitgrabeforke, gekoppelt mit dem Ansatz offener Bildungsmaterialien, die "Schneeballeffekte" und kreative/unerwartete Weiternutzungen begünstigen. Indirekte Klimaschutzeffekte durch das Projekt sind gegeben in den Bereichen: - Emissionsminderung: Die Forke bietet eine Alternative zu motorisierten (Hobby-)Geräten. Wenn der Kauf solcher Geräte - die im Hobbybereich häufig kurzlebige Billigware sind - vermieden werden kann, bedeutet das die Vermeidung von CO2-Äquivalenten bei deren Produktion und Betrieb. - Klimaanpassung: Die Forke begünstigt eine naturnähere und weniger invasive Landwirtschaft. Die Forke ist damit ein Puzzlestück des Low-Tech-Ansatzes, andere Beispiele sind die Rückbesinnung auf Holzrücken mit Pferden und Heugewinnung mit der Sense. - Klimabildung: Die offenen Baupläne können eine Grundlage bieten für Bildungsangebote wie einen DIY-Kurs zum Selbstbau einer Forke, gepaart mit der Vermittlung ihrer Vorteile bezüglich Emissionsminderung und Klimaanpassung. In diesem Sinne kann solch ein Bildungsangebot als persönliche Selbstermächtigung und persönlicher Beitrag zum Klimaschutz erlebt werden. ## Referenzen :construction: