# 6.1 Lesemethoden Texte werden aus unterschiedlichen Gründen gelesen, u.a. zur Entspannung (bspw. Belletristik), zum informieren (bspw. Regelwerke) oder zum Lernen (bspw. Fachtexte). Stellen Sie sich zunächst selbst die folgenden Fragen: > Lesen Sie viel? > Lesen Sie gerne? > Welche Herausforderungen haben Sie beim Lesen? > Gibt es Situationen, in denen Sie gerne lesen? In der Fachliteratur gibt es eine Vielzahl von Empfehlungen, Erkenntnissen und "goldenen Regeln", die für uns im Zusammenhang mit dem Lesen gelten können. Nach Kruse (vgl. Kruse 2018, S. 20) sind dies u.a.: * Lesen ist Arbeit. Gerade wissenschaftliche Texte lassen sich nicht einfach nebenbei und wenn es gerade passt lesen. * Lesen statt surfen. Entfernen Sie Ablenkungsquellen wie Computer/ Internet, bis die zu erledigende Lesearbeit abgeschlossen ist. * Rauchen oder essen Sie nicht beim lesen, trinken ist hingegen gut. Ein - von Rauch oder Essenskrümeln - gezeichneter Arbeitsort dient nicht der Motivation. * Gehen Sie aktiv mit dem Gelesenen um. Im Optimalfall auf Gelesenes mit eigenen Texten antworten. * Weniger ist mehr. Das Lesen teilt sich mit vielen anderen Aktivitäten die verfügbare Zeit. Planen Sie Ihre Lesezeit und planen Sie realistisch (Textmenge). * Nach dem Lesen ist Bewegung wichtig. Bewegung sorgt für einen Ausgleich. Ob Sport, Spazieren oder einfach ein Ortswechsel: Sorgen Sie für Abwechslung. Darüber hinaus werden im Folgenden neben grundsätzliche (individuellen) Lesetipps weit verbreitete Lesemthoden vorgestellt, die das (aktive) Lesen begünstigen. Bei den konkreten Methoden ist zu beachten, dass es Ansätze gibt, die lediglich Arbeitsweise und Textauswahl beeinflussen, als auch Ansätze, die Einfluss auf die eigentliche Lesegeschwindigkeit haben. In der Regel soll diese erhöht werden, ohne dabei zu starke Auswirkungen auf das Textverständnis zu erleiden. ## 6.1.1 Grundsätzliche Tipps Aus eigener Erfahrung können Ihnen bein Leseprozess folgende "Grundregeln" zu einem besseren Lesegefühl verhelfen. * **Lesen Sie viel und regelmäßig:** Vielleser_Innen werden automatisch schneller als Menschen, die eher wenig lesen. * **Machen Sie Konzentrationsübungen:** Durch eine gewisse innere Ruhe profitiert in der Regel die Fähigkeit, sich über einen längeren Zeitraum konzentrieren zu können. Beispiele: * *Zählen eines bestimmten Buchstaben:* Dies kann in Texten (bspw. in Zeitungen oder Zeitschriften) oder in diesem Buchstabenraster erfolgen: (H5P) * *Den Blick fokussieren:* Versuchen Sie eine Zeit lang nichts zu machen, entspannt zu atmen und dabei einen Punkt im Raum zu fokussieren. * *Rückwärts denken:* Buchstabieren Sie Wörter rückwärts oder gehen Sie den vergangenen Tag gedanklich in umgekehrter Reihenfolge durch (was haben Sie erledigt und erlebt). * *Die liegende 8 (gedanklich):* Stellen Sie sich bei geschlossenen Augen eine 8 vor. Diese "schreiben" Sie bei geschlossenen Augen mit Ihren Kopfbewegungen. * *Die liegende 8 (schriftlich):* Nehmen Sie einen Stift in Ihre Schreibhand und und zeichnen eine liegende 8. Diese zeichnen Sie immer wieder nach und werden dabei geringfügig schneller. Nach einiger Zeit können Sie unter Beibehaltung der Schreibbewgungen ohne hinzusehen weiterzeichen. Nach wenigen Minuten können Sie das gleiche Vorgehen mit der "schwächeren" Hand durchspielen. Sie werden merken: Die Koordination ist erst einmal schwieriger. Je länger Sie zeichnen, desto feiner sollten die Bewegungen aber werden. * **Sorgen Sie für die passende Leseumgebung:** (Passendes) Licht und eine - für Sie individuell - angenehme Leseumgebung stützen den Leseprozess. Achten Sie auch auf Umgebungsgeräusche und potentielle Störung durch Dritte. * **Visualisieren Sie das Gelesene:** Versuchen Sie Gelesenes bewusst (gedanklich oder in "Papierform") in Bilder zu übersetzen. * **Immer ein Leseziel vor Augen haben:** Vor dem Lesen von Texten sollten Sie Erwartungen an diesen formulieren. So können Sie effektiver lesen und wichtige von unwichtigen Informationen unterscheiden. * **Machen Sie sich Notizen ([siehe auch Kapitel 6.2](/ijW4zIm9R26Xj49Hdg5SbQ)):** Sie fassen wichtige Informationen in eigenen Worten zusammen, setzen sich mit diesen aktiv auseinander und verinnerlichen wichtige Inhalte und Konzepte. * **Diskutieren Sie in Gruppen:** Dieses Konzept ist vielen von uns aus der Schul-, Studien- und Berufszeit bekannt: Gemeinsam lernt es sich einfach oftmals besser. Dies gilt auch für das Lesen von Texten. Da das gleichzeitige Lesen in Gruppen oftmals schwer umsetzbar ist, können Sie verabreden, das Inhalte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gelesen und anschließend gemeinsam diskutiert werden. So lassen sich neue Erkenntnisse gewinnen und andere Perspektiven gewinnen. ![](https://i.imgur.com/YsWECks.jpg) *Auch Ort und Umgebung spielen eine wichtige Rolle beim Lesen (Florian Hagen, [CC BY 4.0](https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de/)).* ## 6.1.2 Lesemethode "Sequentielles Lesen" Das sequentielle Lesen ist wohl die gewöhnlichste Leseform. Hier wird ein Text von Anfang bis Ende gelesen. Das Ziel ist Handlungen, Gedanken und Informationen möglichst umfassend und vollständig zu folgen. Dementsprechend zeitaufwendig ist dieser Ansatz. ## 6.1.3 Lesemethode "Orientierendes Lesen" Das orientierende Lesen wird angewandt, um zunächst einen Überblick über einen Text zu gewinnen. Auf diesem Eindruck wird ein Urteil gefällt, ob der Text relevant ist. Beim lesen wird auf alles geachtet, was dem Überblick über den Inhalt dient, bspw.: * Inhaltsverzeichnis, * Vorwort, * Texthervorhebungen, * Kapitelzusammenfassungen. Ist eine Auswahl getroffen, so wird der **selektierte** Text gelesen. ## 6.1.4 Lesemethode "Selektives Lesen" Beim selektiven Lesen werden bewusst ausgewählte Texte und Textstellen gelesen. Die Entscheidung bzgl. der zu lesenden Texte kann auf dem orientierenden Lesen basieren. Leser_Innen suchen in den ausgewählten Stellen nach - für Sie - bedeutsamen Informationen. ## 6.1.5 Lesemethode "Scannen" Das Scannen weist starke Ähnlichkeiten zum selektiven Lesen auf. Ein Beispiel hierfür ist das Lesen von Anleitungen. Diese werden oftmals nicht komplett gelesen, meistens werden spezifische Informationen gesucht. Gescannt wird beim wissenschaftlichen Arbeiten u.a. dann, wenn Fachtermini, Definitionen, Statistiken oder Modelle sowie Ablaufsbeschreibungen gesucht werden. Im Text werden hervorgehobene Stellen berücksichtigt, erste, hervorgehobene und letzte Absätze gelesen sowie Schlüsselbegriffe und Ihr Umfeld genauer betrachtet. ## 6.1.6 Lesemethode "Inspiratives Lesen" Es ist auch legitim zu lesen ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben. Wenn Sie noch keine konkreten Ideen haben, so kann das Lesen eines Textes auch Inspirationsquelle für Ihre eigenen Ideen und die Annäherung an ein Thema sein. Hier ist auch das hin- und herspringen im Text kein Problem, sofern es die eigenen Gedanken voranbringt. ## 6.1.7 Lesemethode "Übersetzendes Lesen" Beim übersetzenden Lesen transferieren sie u.a. Fachsprache oder Fachbegriffe in eine verständliche Sprache. Beim übersetzendes Lesen können Sie sich beispielsweise über folgendes Raster einem Text nähern: | Fachbegriff | in eigenen Worten | Kurzdefinition entsprechend Fachliteratur | | -------- | -------- | -------- | | -------- | -------- | -------- | | -------- | -------- | -------- | | -------- | -------- | -------- | | -------- | -------- | -------- | | -------- | -------- | -------- | 1. Lesen Sie einen Text und notieren sich unbekannte Begrifflichkeiten in der linken Spalte. 2. Nähern Sie sich der Wortbedeutung in eigenen Worten durch den Textkontext (zweite Spalte). 3. Überprüfen Sie die Bedeutung mit Hilfe einer Fachpublikation und tragen eine kurze Definiton in Spalte 3 ein. ## 6.1.8 Lesemethode "Kursorisches Lesen" Das kursorische Lesen gilt als "überfliegen" von Inhalten. Im Schnelldurchgang soll ein Überblick über die textlichen Inhalte gewonnen werden. Lesende konzentrieren sich hier vor allem auf: * Einleitung, * Absatzanfänge, * abschließende Absätze, * besonders hervorgehobene Texte, * Kapitelüberschriften, * Zwischenüberschriften, * Illustrationen, * Tabellen, * Fachbegriffe. Zusammengefasst wird hier die Relevanz des Textes für Ihr persönliches Forschungsvorhaben festgestellt, bevor Ausgewähltes intensiver gelesen wird. Ist der Text ungeeignet, so kann auf intensiveres Lesen verzichtet werden. Kursorisches Lesen kann also als Vorstufe des intensiven Lesevorganges verstanden werden. ## 6.1.9 Lesemethode "PQ4R" Die PQ4R-Methode erfolgt nach Rost in sechs Schritten (vgl. Rost 2010, S. 183-184): 1. **P**review (Überfliegen): Text und Kapitel werden für einen groben Überblick überflogen. 2. **Q**uestions (Fragen): Es werden Fragen formuliert, die dem Text bzw. den einzelnen Textabschnitten gestellt werden. 3. **R**ead (Lesen): Der Text wird aufmerksam gelesen. Es werden Notizen angefertigt und die Fragen (gedanklich oder schriftlich) beantwortet. 4. **R**eflect (Reflektieren): Im Anschluss wird über das Gelesene nachgedacht. Gibt es zwischen alten und neuem Wissen eine Verknüpfung? 5. **R**ecite (Wiedergeben): Es folgt die Wiedergabe der Inhalte in eigenen Worten. Leitfaden können hier die vorher ausgearbeiteten Fragen sein. 6. **R**eview (Rückblick): Nachdem alle zu lesenden Abschnitte durchgearbeitet wurden, werden die zentralen Inhalte und Aussagen betrachtet. Konnten alle aufgestellten Fragen beantwortet werden? Bei dieser Methode geht es um das bewusste und nachhaltige Verstehen von Texten. Dies erfolgt über - das gerade im Vergleich zu vielen anderen Ansätzen - zeitaufwendige aber ergiebige erstellen von Fragen, die an den Text gerichtet werden. Die Methode und Ihre Funktionsweise kann im tub.-Tutorial "[VISION](http://www.vision.tu-harburg.de/)" visuell aufbereitet erlebt werden. ## 6.1.10 Weitere Leseansätze Es gibt auch eine Vielzahl weiterer Lesemethoden. Zu diesen zählen u.a.: * Sokratisches Lesen (W-Fragen werden an den Text gerichtet), * Rationelles Lesen (umfasst Methoden die Textinhalte schnell und gründlich erfassen. Beispiel: PQ4R-Ansatz), * Multiples Lesen (paralleles Lesen, verarbeiten und kombinieren von Texten bzw. Inhalten), * Kreatives Lesen (Text als Ausgangspunkt weiterer Bearbeitungen. Beispiel: Fortsetzen von Handlungen oder Weiterdenken von Ideen). Wie zum Teil auch bei den oben aufgeführten Ansätzen (Beispiel: Orientierendes, Scannendes und kursorisches Lesen) lassen sich diese oftmals nicht trennscharf unterscheiden und haben Gemeinsamkeiten. Im Optimalfall sollten unterschiedliche Lesetechniken zum Einsatz kommen, die Sie beim durchdringen von Inhalten und Konzepten unterstützen. ## Quellen **Kruse 2018** * Kruse, Otto. Lesen Und Schreiben Der Richtige Umgang Mit Texten Im Studium. Konstanz: UVK, 2018. ISBN 978-3-8252-4999-1 ![Lesetipp](https://katalog.tub.tuhh.de/Cover/Show?author=Kruse%2C+Otto&callnumber=&size=medium&title=Lesen+und+Schreiben+%3A+der+richtige+Umgang+mit+Texten+im+Studium&isbn=3825249999&oclc=1031708745&ppn=1017841462) https://katalog.tub.tuhh.de/Record/1017841462 --- **Rost 2010** * Rost, Friedrich. Lern- Und Arbeitstechniken für das Studium. Wiesbaden: VS Verlag, 2010. ISBN 978-3-5311-7293-4 ![Lesetipp](https://katalog.tub.tuhh.de/Cover/Show?author=Rost%2C+Friedrich&callnumber=&size=medium&title=Lern-+und+Arbeitstechniken+f%C3%BCr+das+Studium&isbn=353117293X&oclc=635320562&ppn=613047451) https://katalog.tub.tuhh.de/Record/613047451 ###### tags: `Seminar201920`