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title: Grundlagen Georeferenzierung
description: Skript für GIS-Workshop im DFG-Heliopolis Projekt
date: 16-07-2021
author: Kai-Christian Bruhn
affiliation: Hochschule Mainz
contact: kai-christian.bruhn@hs-mainz.de
license: cc by-sa 4.0
tags: GIS, Workshop, Heliopolis, Georeferenzierung
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Grundlagen Georeferenzierung
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[[_TOC_]]
## Ausgangslage und Ziele
Ziel ist die Referenzierung einer wichtigen Kartierung mit Details zu dem Fundplatz Heliopolis aus der Mitte des 19. Jhs. auf die aktuellen Grabungsfläche. Was wurde damals wo beobachtet? Wo liegen die gegrabenen oder noch zu untersuchenden Bereiche im Verhältnis dazu?
Dieser Vorgang heißt "***Georeferenzierung***".
Ausgangspunkt ist ein Digitalisat der Karte:
Karte von Joseph Hekekyan 1854
© The British Library Board, Add. 37458, f.20v
Public Domain
vgl. Gabolde, Luc, und Damien Laisney. „L’orientation du temple d’Héliopolis : données géophysiques et implications historiques“. Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo, 2018.
Zur Person: https://www.wikidata.org/wiki/Q3185073
Zu den Umständen der Kartierung:
Horner, Leonard. „The Excavations at Heliopolis“. Philosophical transactions of the Royal Society of London 145 (1855): 123–38.
http://opacplus.bsb-muenchen.de/title/3090935/ft/bsb10499732?page=131
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Digitalisate sind wie digitale Photographien eine Matrix von (meist) quadratischen Pixeln. Für jeden Pixel wird ein Wert gespeichert, meist eine Zahl, die eine Farbe repräsentiert.

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Die innere Struktur eine digitalen Bildes ist über einige Parameter definiert:
* Ursprung des Bildkoordinatensystems (*oben, links*)
* Pixelmatrix, gezählt von *unten links*
* Übersetzt besteht ein Bild, wie eine Tabelle, aus Spalten und Zeilen. Im Beispiel besteht das Bild aus 4384 *Spalten* und 3616 *Zeilen*
* insgesamt besteht das Digitalisat also aus 15.852.544 Pixeln.
* Mit dem Parameter dpi (dots per inch) wird diese relative Bildgröße auf ein absolutes Bild-Maß übersetzt. Da ein inch etwa 2,54 cm entspricht ergibt sich aus der relativen Bild**matrix** von 4384 x 3616 Pixeln folgende Bild**abmessungen** bezogen auf 300 dpi:
* 300 dpi -> 37,1 x 30,6 cm. 1 Pixel ist damit im Ausdruck 0,085 mm klein.

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Auch das Digitalisat einer topographischen Karte ist eine Pixelmatrix:

Quelle: Cairo No. 3, 1:10,000, Edition 4-AMS, Series P971. U.S. Army Map Service, 1958, https://legacy.lib.utexas.edu/maps/world_cities/txu-oclc-47175049-cairo3-1958.jpg
Anmerkung: Wir sehen hier deutlich, dass eine analoge Karte mit Gebrauchspuren am linken Rand und an der sichtbaren Ecke eingescannt wurde.
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Allerdings ist auf topographischen Karten häufig ein Koordinatensystem mit Gitterlinien eingetragen.
Die geographischen Koordinaten auf den Kreuzungen dieser Gitterlinien können also Bildpixeln zugewiesen werden.
Auf der Karte eingetragen sind geographischen Koordinaten nach zwei Vermessungssystemen. Der Legende ist zu entnehmen:

Das Verhältnis dieser Koordinatensysteme zu dem auf der Grabung in Heliopolis genutzten `WGS84/UTM Zone 36N` ist bekannt und die Werte der Koordinaten können recht zuverlässig ineinander umgerechnet werden.

WGS84/UTM 36N Koordinatengitter auf die topographische Karte projiziert.
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Ausgehend von der gezeigten topographischen Karte von 1958 konnten wir weitere topographische Karten ohne Angabe eines Koordinatengitters in das Koordinatensystem "übersetzen".

Survey of Egypt-Karte von 1915 projiziert auf das WGS84/UTM 36N Gitter.
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Liegen mehrere Karten im gleichen "übergeordneten" Koordinatensystem vor, können Sie auch digital "übereinandergelegt werden"

Topographische Karten von 1915 und 1958 ineinander geblendet.
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Diese topographischen Karten sind Ergebnisse von Vermessungskampagnen. Die Karte von 1958 verweist explizit auf die Quellen, aus der sie kompiliert wurde:

Für die Zuverlässigkeit der Kartierung werden drei Werte angegeben: **poor, fair und good**
Es war also üblich, Karten mit Qualitätsangaben zu versehen. In Zeiten von Google-, Bing- oder Here-Maps ungewöhnlich - aber bis in die 1980er Jahre hinein gab es Karten mit sehr unterschiedlicher Zuverlässigkeit/Qualität.
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Die Karte von Hekekyan ist aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ihm standen keine topographisch vermessenen Karten zur Verfügung. Entsprechend fraglich ist die geometrische Qualität der geographischen Verhältnisse auf seiner Karte. Mit *geometrischer Qualität der geographischen Verhältnisse* ist gemeint, dass die Abstände, Winkel und deren Proportionen mit der damaligen "Realität" übereinstimmen.
Ein erster Versuch, die Karte von Hekekyan in die topographischen Karten einzubinden, zeigt deutliche Abweichungen:

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Tatsächlich ergäbe eine Entzerrung der Karte von Hekekyan in etwa folgendes Bild:

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Bezogen auf den ganz oben gezeigten Bildausschnitt mit dem Wort "wall" ergibt sich für die Projektion der Pixel auf der Karte auf das Koordinatenraster (10x10 Meter) der Grabung folgendes Bild:

Hier wird deutlich, dass nun jeder Pixel des Digitalisats einen bestimmten Bereich der Erdoberfläche bedeckt.
Aus einem **digitalen Bild** wurde eine **georeferenzierte Rasterdatei**.
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**Georeferenzierung** ist also meist verbunden mit einer Neuberechnung des gesamten Bildes.

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Bei der Transformation einer Pixelmatrix von einem Koordinatensystem in ein anderes können wir grundsätzlich von folgenden Szenarien ausgehen:

Quelle: University of Twente, The Core of GIScience 2020. Geocoding, Figure 1: Illustration of different image transformation types and the number of required parameters. https://ltb.itc.utwente.nl/page/481/concept/78656 cc by-nc-nd 4.0
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Bei der Neuberechnung der Bildmatrix können die WErte der Pixel nicht immer 1:1 übernommen werden:

Je nach den Eigenschaften der Kartendarstellung muss daher eine Vorschrift für die Neuberechnung der Pixelwerte ausgewählt werden. Hier sind die Ergebnisse einiger gängiger, häufig "Abtastmethoden" genannter Algorithmen:

Quelle: University of Twente, The Core of GIScience 2020. Geocoding, Figure 3: The effect of nearest neighbour and bilinear and bicubic resampling of the original data. https://ltb.itc.utwente.nl/page/481/concept/78656 cc by-nc-nd 4.0